Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
sich um einen Eichentisch. An der Wand befand sich eine Standuhr, die fast so aussah wie die in Emmas Wohnung. Das Pendel schwang mit lautem Ticken hin und her, und jedes Mal, wenn der Zeiger auf dem Ziffernblatt ein Stück rückte, erklang ein metallisches Klicken.
Leyla sprang auf die Sessel, auf den Tisch, reckte den Kopf, betrachtete die Regale an der Wand und entschied dann: »Weiter! Hier gibt es nichts Interessantes.«
Der nächste Raum war kleiner, bei den Tapeten und Polstermöbeln dominierte die Farbe Blau. Auch der Teppich war dunkelblau und zeigte Meeresmotive wie Fische und Seesterne. An der Wand hing ein Ölbild, auf dem ein Leuchtturm zu sehen war; ein weiteres Gemälde zeigte ein Segelschiff in Seenot.
»Nichts, was mit Katzen zu tun hat«, murmelte Leyla enttäuscht. »Wir kommen der Sache einfach nicht näher.«
Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Im ganzen Erdgeschoss war nichts zu finden, was auf Mister Silvers Geheimnis hingewiesen hätte. In der Küche stand auch kein Fressnapf – dabei wäre das doch zu erwarten gewesen, wenn man eine Raubkatze im Haus hielt …
»Wir müssen oben weitersuchen«, meinte Leyla und lief schon die breite Marmortreppe hoch, auf der ein roter Teppich lag. Das Geländer bestand aus Holz und war mit Schnitzereien verziert. Der Knauf am Ende zeigte eine hässliche Fratze.
Edgar kam es so vor, als würden sie sich schon eine Ewigkeit in der Villa aufhalten. Durch das Fenster im Treppenhaus fiel Mondlicht und malte einen hellen Streifen auf die Stufen.
Die Atmosphäre schien im ersten Stock noch düsterer zu werden. Die Gegenwart einer bösen Macht, die Edgar bei der Begegnung mit dem Panther gespürt hatte, war auch hier fühlbar. Sie hing in den schweren Samtvorhängen und in den dicken Teppichen, verbarg sich in den düsteren Gemälden und in den goldenen Vasen, ja, sie schien sogar Teil der Luft zu sein. Edgar hatte die ganze Zeit ein gesträubtes Fell. Am liebsten wäre er gar nicht weitergegangen.
Leyla, die vorausgelaufen war, blieb plötzlich stehen und wandte den Kopf. »Fällt dir was auf, Edgar?«
»Es ist … unheimlich«, wisperte Edgar.
»Das meine ich nicht. Ich spüre es auch. Aber es müsste hier doch nach Raubkatze riechen, wenn Mister Silver einen Panther hält, oder?«
»Du hast recht, Leyla.«
»Ich merke nichts.«
»Ja, ich kann auch nichts davon riechen.« Edgar schnupperte noch einmal, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht irrte. Nein, nichts. Kein Hauch von einem Raubtier …
»Vielleicht haben wir uns doch geirrt, was den Panther betrifft«, murmelte Leyla. »Es gibt wahrscheinlich gar keinen Zusammenhang zwischen Mister Silver und dem Schlächter.«
»Schade«, sagte Edgar enttäuscht. »Ich war überzeugt, wir hätten eine heiße Spur.«
»Wir sehen uns trotzdem weiter um«, bestimmte Leyla. »Schließlich will ich wissen, was es mit den Wachskatzen auf sich hat.«
Auf Samtpfoten tappten die beiden Katzen den Flur entlang. Die Türen zu den Zimmern waren meistens nur angelehnt, das erleichterte ihnen die Suche. Hier trugen die Räume deutlicher Mister Silvers Handschrift: Auf den Regalen und Tischen stapelten sich Bücher. Es waren eine Menge – wenn auch nicht ganz so viele wie in Mister Carringtons Antiquariat. Mister Silver war ein Büchersammler, aber diese Erkenntnis überraschte weder Leyla noch Edgar sonderlich.
»Vorsicht jetzt«, warnte Leyla. »Das hier ist sein Schlafzimmer. Wahrscheinlich liegt er im Bett.«
Lautlos schlichen die Katzen in den dunklen Raum. Ein mächtiges Himmelbett mit schweren Brokatvorhängen bildete den Mittelpunkt. Das Bett war so breit, dass mühelos drei Menschen nebeneinander Platz gehabt hätten. Doch es war unberührt – Mister Silver lag nicht darin.
»Wo ist er?«, flüsterte Edgar. »Er muss doch im Haus sein. Wenn er weggegangen wäre, hätten wir seine Spuren im Schnee gesehen.«
»Sehr merkwürdig«, murmelte Leyla und sprang mit einem großen Satz aufs Bett. Auf dem Kopfkissen lag ein Buch. Offenbar hatte Mister Silver erst vor Kurzem darin gelesen. Edgar hüpfte ebenfalls aufs Bett. »Kennst du das Buch?«, fragte er.
»Ja, es ist eines der Bücher, die mein Herr für Mister Silver besorgt hat«, antwortete Leyla und öffnete mit ihrer Pfote den Band. »Schwarze Zauberkunst« , las sie vor. »Wie man den Teufel und seine Dämonen beschwört.«
»Oh«, sagte Edgar beeindruckt. Es schauderte ihn.
»Ein verbotenes Buch«, meinte Leyla. »Ich weiß
Weitere Kostenlose Bücher