Edgar Wallace - Der grüne Bogenschütze
von Ihnen« sagte sie dankbar.
Sie nahm schnell ihren Pelz, schrieb noch eine eilige Botschaft für Mr. Howett, die ihm bei seiner Rückkehr gegeben werden sollte, und stieg dann in den Wagen. Den Chauffeur konnte sie nicht erkennen, er hatte seinen Kragen hochgeschlagen.
Als sie durch das Dorf fuhren, mußten sie einmal halten, um einen Lastwagen vorbeizulassen, der mit gefällten Bäumen beladen war. Julius Savini, der am Tor des Pförtnerhauses stand, sah hinüber und erkannte in dem Lichte der Laternen, die über dem Eingangstor von Garre Castle brannten, Valerie und ihren Begleiter. Aber er wurde nicht von ihnen bemerkt, denn er stand im Schatten. Julius faßte sofort einen Entschluß. Der Lastwagen gab eben die Passage frei und das Auto fuhr an. Julius lief hinterher und schwang sich auf den hinteren Gepäckhalter. Es gelang ihm nur mit Aufbietung aller Kräfte, denn der Wagen war schon in voller Geschwindigkeit. Er war ganz außer Atem und fluchte leise, daß er diese Verrücktheit begangen hatte. Ein Polizist sah das Auto am Ende der Dorfstraße und war sehr verwundert, als er Julius hinten auf dem Gepäckhalter sitzen sah.
Die Eisenstangen schmerzten ihn, und manchmal klammerte sich Julius in Verzweiflung und Todesangst daran fest. Aber trotzdem er glaubte, daß jeder Augenblick der letzte sein könnte, hielt er doch mit großer Zähigkeit aus. Schmutzig und zerzaust fuhr er durch die hellerleuchteten Straßen der Londoner Vorstädte. Die Leute sahen ihm böse und aufgebracht nach, aber nun war er der Lage vollständig gewachsen und hatte sich entschlossen, auszuhalten, was auch kommen mochte.
Valerie sprach während der Fahrt nicht. Sie malte sich das Wiedersehen mit ihrer Mutter aus. Welche wunderbaren Möglichkeiten eröffneten ihr die letzten Ereignisse! Sie wollte sich nicht in diesen glücklichen Gedanken stören lassen. Erst als sie über den Fluß gefahren waren und sich dem Osten Londons näherten, brach sie das Schweigen.
»Fahren Sie nicht nach Scotland Yard?« fragte sie.
»Nein, mein Fräulein, der Captain wartet im ›Goldenen Osten‹ auf Sie.«
Sie erkannte den Klub wieder, aber der Eingang, vor dem der Wagen hielt, war nicht derselbe, den sie bei früheren Gelegenheiten benützt hatte. Der Mann neben ihr sprang aus dem Wagen und öffnete die Tür.
»Der Captain ist oben, mein Fräulein!«
Sie zweifelte keine Sekunde daran, daß er die Wahrheit sprach, und selbst als sie in den kleinen Raum hinter der Bar kam und Coldharbour Smith sah, ahnte sie noch nichts von der Gefahr, in der sie sich befand. Sie kannte Smith nicht, obgleich sie schon einmal eine Ausfahrt unternommen hatte, um ihn auszufragen. Aber trotzdem wußte sie sofort, daß er es war.
»Sie sind doch Mr. Smith?« fragte sie lächelnd.
»Ja, das bin ich, mein Fräulein. Der Captain wird gleich kommen. Er sagte, ich sollte Ihnen inzwischen eine kleine Erfrischung anbieten.«
Eine Flasche Champagner stand auf dem Tisch, und mit starken Händen löste er Draht und Korken.
»Er meinte, es wäre möglich, daß Sie von der langen Fahrt ermüdet wären.«
»Ich bin aber nicht müde, und ich trinke auch keinen Champagner« entgegnete sie.
Es wurde ihr plötzlich unheimlich zumute, und eine innere Stimme sagte ihr, daß Gefahr im Anzug sei. Zum erstenmal wurde ihr klar, wie unklug sie gehandelt hatte.
»Würden Sie so liebenswürdig sein, Captain Featherstone zu rufen?«
»Er ist noch nicht hier, mein Fräulein« sagte Coldharbour und betrachtete mit gierigen Augen ihre schöne Gestalt. »Er hat Ihre Mutter gefunden – ja, es ist Ihre Mutter.«
»Meine Mutter!« rief das Mädchen. »Sind Sie auch sicher?« Sie hatte wieder alle Gefahr vergessen.
»Ja, es ist Ihre Mutter. Sie haben sie gefunden, gerade als der alte Bellamy sie nach Südamerika schicken wollte. Der Captain hat sie auf einem Schiff gefunden, sie ist sehr krank.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Die kränkste Frau, die ich jemals gesehen habe, Miss Howett. Eine Krankenpflegerin ist Tag und Nacht bei ihr. Sie müssen die junge Dame zur ›Contessa‹ bringen.« Mit diesen Worten wandte er sich an den Mann, der Valerie begleitet hatte.
»Auf ein Schiff? Aber das geht doch nicht… wie weit ist denn der Weg dahin?« fragte sie bestürzt.
»Es ist keine Meile von hier entfernt. Sie brauchen sich doch nicht zu fürchten, solange der Sergeant bei Ihnen ist. Außerdem ist doch die Themse voll von Polizeibooten.«
Hätte sie ruhig nachgedacht, so hätte sie
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