Edgar Wallace - Der grüne Bogenschütze
mich. Aber wenn Sie zu ihm gehen, Miss Howett, dann lassen Sie mich bitte wissen, wann Sie aufbrechen. Ich habe dann eine gute Entschuldigung, mir die Burg auch anzusehen, denn er kann mich nicht gut abweisen, wenn ich als Ihr Begleiter auftrete.«
Sie überlegte schnell.
»Ja, ich will hingehen – heute nachmittag nach dem Essen. Wird diese Zeit Mr. Bellamy wohl recht sein?«
»Ich werde ihn antelephonieren und es auskundschaften. Aber ich glaube jetzt schon, daß ihm jede Zeit recht sein wird.«
»Mr. Holland, wissen Sie eigentlich, wo sich Captain Featherstone augenblicklich aufhält?«
»Er war gestern in London. Julius hat ihn dort gesehen.«
»Ist er nicht hier im Dorf?«
Spike schüttelte den Kopf.
»Warum fragen Sie? Wünschen Sie etwas von ihm?«
»Nein, nein« sagte sie hastig. »Ich war nur neugierig, das ist alles.«
Sie konnte sich die Einladung Bellamys nicht erklären, als sie allein war. Dann dachte sie wieder über die Ereignisse der letzten Nacht nach. Es war sicherlich Featherstone, der sie in das Haus gebracht hatte. Dann erklärte sich auch, warum die Gartentür von innen verschlossen war. Er war eben durch die Haustür gegangen. Plötzlich erinnerte sie sich daran, daß die Haustür aufgeschlossen wurde und leise Schritte an ihrer Tür vorbeikamen – sie dachte an die zerbrochene Schüssel – und an den grünen Pfeil!
»Es ist nicht möglich!« sagte sie dann laut. »Es ist nicht möglich!«
Und sie versuchte, sich gegen ihre bessere Überzeugung einzubilden, daß Jim Featherstone, der Polizeidirektor, nicht mit dem Grünen Bogenschützen von Garre Castle identisch sein konnte.
28
D ie Dienstboten von Lady’s Manor erklärten sich die häufige Anwesenheit ihrer jungen Herrin in der Küche innerhalb so kurzer Zwischenräume damit, daß das Haus für sie eben eine Art neues Spielzeug war.
»Jetzt fragt das junge Fräulein schon das drittemal, warum die Kellertür letzte Nacht verschlossen war« sagte der Koch. »Und die Kellertür ist doch nicht verschlossen.«
»Sie hat einen Riegel innen gefunden, ich habe ihn nie vorher gesehen« sagte das Küchenmädchen.
»Sie sind ja auch erst ganz kurze Zeit hier. Es wird noch eine Menge Dinge im Hause geben, die Sie nicht gesehen haben. Ich habe den Riegel gleich am ersten Tag bemerkt, als ich meinen Dienst hier antrat.«
In diesem Augenblick kam Valerie zurück.
»Glauben Sie nicht, daß ich Ihnen Umstände machen will, aber ich möchte den Kohlenkeller einmal besichtigen.« Sie hatte ihre elektrische Taschenlampe in der Hand.
»Sie werden sich ganz staubig machen, gnädiges Fräulein« warnte sie das Mädchen, aber Valerie ließ sich dadurch nicht abschrecken.
Über ein Dutzend Treppenstufen führten zu einem großen Keller. In einer Ecke war ein Haufen Kohlen aufgeschüttet, die durch eine äußere Luke hineingeworfen worden waren.
Von dem Gewölbe führten drei Türen in andere, scheinbar in sich abgeschlossene, kleine Zellen. Eine war von einem früheren Bewohner des Hauses als Weinkeller eingerichtet worden, in der zweiten standen leere Flaschen und alte Kisten. Die dritte Tür war verschlossen. Valerie sah aber, daß das Schloß neu war. Durch eine kleine vergitterte Öffnung konnte sie einen Blick in das Innere tun. Sie leuchtete mit ihrer Lampe hinein und versuchte zu sehen, welche Schätze wohl in dem Raum enthalten sein mochten. Aber außer einem großen, schwarzen Koffer war nichts zu entdecken. Sie ging zurück und holte alle Schlüssel, die sie finden konnte, um die Tür zu öffnen. Aber all ihre Bemühungen waren vergeblich. Vielleicht war es auch gar nicht der Mühe wert, den alten Koffer zu besichtigen, der scheinbar von einem früheren Besitzer des Hauses als wertlos zurückgelassen worden war.
Als sie in die Küche zurückkam, hörte sie herzhaftes Gelächter, das plötzlich verstummte, als sie eintrat.
»Entschuldigen Sie bitte, gnädiges Fräulein« sagte der Koch, »aber ich erzählte gerade Käthe von dem merkwürdigen Namen, den unser Keller hier im Dorfe hat. Wir sind hier alle altmodische Leute, und wir brauchen noch die alten Namen. Die Burg nennen wir immer nur ›Curcy‹ nach den früheren Herren, die Hunderte von Jahren hier gesessen haben.«
»Und wie ist denn der merkwürdige Name für den Keller?« fragte Valerie lächelnd.
»Man nennt ihn ›Lippfad‹, ich glaube aber, daß es richtiger ›Liebespfad‹ heißen soll.«
»Aber warum in aller Welt heißt er so?« fragte Valerie.
Doch der
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