EduAction: Wir machen Schule (German Edition)
einzurichten: »Ich dachte, es entspricht nicht den Leitlinien der Inklusion, wenn wir diese Kinder wieder separieren und anders mit ihnen umgehen.« Inzwischen hat sich das Lernbüro Plus, das zunächst zur Erprobung eingeführt wurde, sehr bewährt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es allen Kindern offensteht und auch von vielen genutzt wird.
Ich hatte schon immer dieses Vertrauen in meinen Sohn, dass er genau so, wie er ist, richtig ist. Und das erlebt er jetzt auch an dieser Schule. Da wird nicht geschaut, was jemand nicht kann, sondern man achtet auf seine Stärken. Man bringt den Kindern Vertrauen entgegen, dieses unglaubliche Vorschussvertrauen.
Anja Niesler, Mutter eines hochbegabten Schülers
Mit dem Lernpfad-System im Lernbüro haben wir uns, zusätzlich zu den generellen Möglichkeiten im Lernbüro, ein weiteres Mittel zur Differenzierung verschafft: Es gibt drei Lernpfade: der Zwei-Sterne-Pfad ist der Normbereich, der Ein-Stern- Pfad bedeutet fördern, der Drei-Sterne-Pfad steht für fordern. Welcher Pfad gewählt wird, kann von Baustein zu Baustein neu entschieden werden. Außerdem haben wir sogenannte freie Bausteine eingeführt, die es den Leh rern ermöglichen, noch differenzierter Zer tifikate zu vergeben. »Im Lernbüro Plus gibt es beispielsweise die Möglichkeit, mit Rechenbrettern zu arbeiten und darin ein Mathe-Zertifikat zu machen. Oder im letzten Jahr hatte ich zwei Tutandinnen, die ein eigenes Buch geschrieben haben und dafür einen Baustein anerkannt bekommen haben«, sagt Aileen Rodewald. »Das ist für mich inklusiv und das ist Stärken stärken.«
Als Tristan zum zweiten Halbjahr der 7. Klasse auf die neugegründete esbz wechselte, war er, »was seine Leistungen und das Verhalten in der Schule betraf, auf dem absteigenden Ast«, wie sein Vater sagte. Er war gerade von einer Gesamtschule geflogen, die dortige Schulleiterin empfahl ihm »eine gute Hauptschule«. Für seinen Vater war es »wie eine Offenbarung«, als Tristan an der esbz eine zweite Chance bekam. »Vieles war provisorisch, hatte aber auch was von Aufbruchstimmung, Tatendrang, Pioniergeist. Was aber das Beste war, es gab nur motivierte Lehrer.«
Mein Sohn ging in eine normale Grundschule und war unglücklich – dort musste das Kind zur Schule passen, sonst gab es Schwierigkeiten. An der esbz wird geguckt: Wie lernt das Kind? Wie macht es das? Und man versucht, dem Kind gerecht zu werden.
Corinna Bergmann, Schülermutter
Tristan war bald beliebt bei Mitschülern wie auch Lehrern und wurde zwei Jahre später sogar als »Aufsteiger des Halbjahres« ausgezeichnet – obwohl längst nicht alle Leistungen zufriedenstellend waren. Aber die Verbesserung war deutlich und wurde, entsprechend der Schulphilosophie, gewür digt. »Das tut enorm was fürs Selbstwertgefühl. Wie schnell fühlt man sich als Versager, wenn einem Dinge nicht gelingen, die andere scheinbar mühelos hinbekommen«, sagt der Vater. Besonders seine Herausforderung, allein in einem schottischen Dorf auf einer Schaffarm, hat ihm einen ungeheuren Schub ermöglicht.
Trotzdem brauchte Tristan noch sehr viel Vertrauen seitens der Schule, bis er seinen Weg wirklich gefunden hatte. Es gab eine größere Verfehlung, die seine Schullaufbahn an der esbz beinahe beendet hätte. »Und bei aller Liebe und allem Verständnis für meinen Sohn, ich hätte die Schule verstanden. Dass es nicht zum Schulverweis gekommen ist, zeigt, wie an dieser Schule gearbeitet wird«, meinte sein Vater dazu. Lehrer, Eltern und Mitschüler haben intensiv beraten, viel Zeit investiert und nicht einfach die naheliegendste Lösung umgesetzt. Aus heutiger Sicht war der Mut aller Beteiligten, sich um Tristan zu bemühen, ohne jedoch sein Fehlverhalten gutzuheißen, richtig: Er schaffte einen guten erweiterten Hauptschulabschluss und fand, auch dank seiner Erfahrung in der Holzwerkstatt der esbz, sofort eine Lehrstelle zum Tischler.
Anja Niesler ist sehr glücklich darüber, wie ihr hochbegabter Sohn sich entwickelt hat, seit er an der esbz ist. In der Grundschule war er so stark unterfordert, dass es sich in körperlichen und psychischen Leiden äußerte, die von Jahr zu Jahr schlimmer wurden. Entgegen der Empfehlung der Grundschule übersprang Leon eine Klasse und kam an die esbz. »Und alles war gut. Seitdem ist überhaupt alles gut«, sagt seine Mutter. Auch die 7. Klasse war für ihren Sohn nicht schwierig, er hätte im Grunde schon wieder springen können, aber das brauchte er aufgrund
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