EduAction: Wir machen Schule (German Edition)
Stärken eines jeden Einzelnen zu sehen, um so in heterogenen Gruppen konstruktiv arbeiten und innovative Lösungen gemeinsam finden zu können.
Entscheidend für den Stellenwert der Inklusion im Bildungssystem war die UNESCO-Weltkonferenz 1994 im spanischen Salamanca mit Regierungsvertretern aus fast 200 Staaten. Hier wurde Inklusion zum wichtigsten Ziel der internationalen Bildungspolitik erklärt und das Programm der »Einen Schule für Alle« beschlossen.
Das Leitprinzip der Erklärung besagt, dass Schulen alle Kinder, unabhängig von ihren physischen, intellektuellen, sozialen, emotionalen, sprachlichen oder anderen Fähigkeiten aufnehmen sollen. Das soll behinderte und begabte Kinder einschließen, Kinder von entlegenen oder nomadischen Völkern, von sprachlichen, kulturellen oder ethnischen Minoritäten sowie Kinder von anders benachteiligten Randgruppen oder -gebieten.
Inklusion beginnt in der Haltung, in den Herzen der Menschen, im Geist, der in Schulen weht. Inklusion bedeutet: Alle lernen mit allen gemeinsam! Alle gehören von Anfang an und immer zusammen. In all der großartigen Vielfalt, die es gibt!
Margret Rasfeld, Schulleiterin
Jedes Kind hat Talente und Begabungen, die es von Natur aus mitbringt. »Diese werden an der esbz erkannt und gefördert. Nichts wird übersehen. Jeder ist ein wichtiger Teil der Schule«, sagt die Erzieherin Gülcan Peköz über unsere Arbeit. Bildung – orientiert am Maß des Menschlichen – versteht ihren Auftrag als Beitrag zur Verständigung innerhalb unserer Gesellschaft und als Beitrag zum Frieden weltweit. Unter dieser Voraussetzung bedeutet Inklusion auch und besonders Wertschätzung aller. Wertschätzung ist der Schlüssel für den Umgang mit anderen, denn nichts baut Menschen mehr auf. Gemeinsames Lernen bis zur 10. Klasse und Binnendifferenzierung gemäß den individuellen und besonderen Bedürfnissen jedes Einzelnen muss endlich an die Stelle von Selektion und Stigmatisierung Einzelner treten. Darin unterscheidet sich der Inklusionsansatz fundamental von den bisher verfolgten Integrationsbestrebungen, bei denen es stets darum ging, Kinder mit Handicap in einen definierten Anforderungsrahmen einzupassen.
Integriert werden kann nur, was vorher ausgesondert wurde. Insofern ist Integration notwendigerweise die Exklusion vorgeschaltet. Dagegen geht die Inklusion von der Würde jedes Men schen und der Subjektstellung des Kindes aus, Besonderheiten und unterschiedliche individuelle Bedürfnisse eingeschlossen. Es verstößt gegen ein im Schöpfungsglauben begründetes Bildungsverständnis, wenn ein Bildungssystem systematisch Verlierer hervorbringt und wenn beispielsweise die soziale Herkunft über den Bildungserfolg entscheidet. [19]
Studien zeigen [20] , dass sich die Raten der Abbrecher und Wiederholer durch Inklusion deutlich reduzieren und der Leistungsdurchschnitt steigt. »An der esbz hat jeder die Chance, Abitur zu machen«, ist Martha überzeugt. Die engagierte Fünfzehnjährige weiß noch gut, wie viel psychischen Druck die Selektion am Ende der Grundschule für sie bedeutete. Schon in der 4. Klasse habe sie angefangen, darüber nachzudenken, ob sie wohl ihr Abitur schaffen werde. Als es dann so weit war, wechselte sie auf die esbz: »Ich gehe auf diese Schule, weil ich finde, dass jeder einen speziellen Lernweg hat.«
Am 26. März 2009 trat die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft. Danach haben alle Kinder mit Behinderungen das Recht, nicht vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen zu werden und eine allgemeine Schule zu besuchen. Die Vertragsstaaten haben sich dazu – wie es im Originaltext Art. 24 heißt – verpflichtet, ein »inclusive education system« zu schaffen [21] ; die deutsche Übersetzung »integratives Bildungssystem« ist laut Artikel 50 der Konvention nicht verbindlich; sie verschleiert, dass Inklusion mehr ist als Integration.
An der esbz wollen wir jedes Kind als Kind Gottes in seiner Einzigartigkeit wahrnehmen und achten, es fördern und fordern, Schatzsucher sein. Wir setzen bei den Stärken der Kinder an und schaffen Gelegenheiten, dass sie ihre jeweiligen Potenziale sinnvoll einbringen können. Im Lernbüro kann jedes Kind seinen Möglichkeiten und seinem individuellen Lerntempo gemäß arbeiten. Durch die Jahrgangsmischung in den Stufen 7 bis 9 haben wir eine natürliche Inklusion der Jahrgänge. Und durch die vielen, ganz unterschiedlichen Projekte bekommt jedes Kind unzählige Gelegenheiten, seine
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