Effington 06 - Verborgene Verheissung
...«
»Allerdings habe ich einen Rat für dich, der dir vielleicht nützlich sein könnte.«
»Du hast mir noch nie einen Rat gegeben.«
»Ich habe mich noch nie in der seltsamen Position befunden, mehr als du über ein Thema zu wissen.« Reggie lächelte unsicher. »Hör gut zu, alter Freund. Schließ die Augen, schenk der inneren Stimme der Vernunft keine
Beachtung, und spring in den Abgrund.« Er kicherte. »Der Flug ist wundervoll.«
»Und die Landung?«
»Tja, die Landung kann dich umbringen. Aber das Risiko ist es wert. Wie alles auf dieser Welt, wofür es sich zu leben lohnt.«
»Ich soll also fliegen?« Marcus war immer noch skeptisch.
»Das sollst du. Selbst ein kurzer Flug ist großartig. Und wenn du sehr viel Glück hast, landest du vielleicht nie. Ich muss sagen, ich beneide dich.« Reggie sah plötzlich ernst aus. »Früher oder später bin ich immer gelandet.« Damit wandte er sich um und verließ den Raum. Leise schloss er die Tür hinter sich.
Marcus blickte seinem Freund nachdenklich hinterher.
Lag auch nur ein Körnchen Wahrheit in Reggies Worten? Natürlich nicht. Was der Viscount für Marcus' lang erwarteten Versuch in der Liebe hielt, war in Wirklichkeit nicht mehr als sein Versuch, die widerstreitenden Charakterzüge seiner Braut nachzuvollziehen. Sein angeblicher Gefühlszustand war nichts als die Verblüffung, die jeder Mann empfand, wenn er versuchte, eine Frau zu verstehen. Und Gwen war nicht irgendeine Frau: Sie war wirklich einzigartig und seine Frau.
O ja, er mochte sie. Sogar sehr. Sie barg ein Geheimnis, das enthüllt werden wollte. Er hatte schon immer eine Vorliebe für alles Mysteriöse, und sie war eine spannende Herausforderung. Verwirrend und rätselhaft.
In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass siebeneinhalb Jahre vielleicht nicht ausreichen würden.
Neuntes Kapitel
Männer sind immer weniger charmant, ah sie denken, nie so unwiderstehlich, wie wir sie glauben machen, und in ihrer Ahnungslosigkeit absolut bezaubernd.
Colette de Chabot
Gwen war sich nicht ganz sicher, was sie jetzt tun sollte. Oder was man von ihr erwartete. Eigentlich wusste sie überhaupt nichts.
Sie zog die schweren Vorhänge vor dem hohen Fenster ihres Schlafzimmers zur Seite und sah in die Nacht und auf die dunklen Straßen Londons hinaus. Nie in ihrem Leben war sie so aufgeregt, so voller Vorfreude gewesen.
Wo war Marcus überhaupt? Nicht, dass es eine Rolle spielte. Er und Berkley konnten von ihr aus die ganze Nacht in der Bibliothek sitzen. Es würde die Situation jedenfalls vereinfachen, wenn er heute Nacht nicht auf seinen — sie schluckte — ehelichen Rechten bestand.
Nicht, dass sie vorhatte, sich seinen Wünschen zu widersetzen. Es war immerhin ihre Pflicht und ein wichtiger Teil dieses Arrangements. Zumindest für die nächsten siebeneinhalb Jahre.
Sie ließ den Vorhang fallen und wandte sich vom Fenster ab, um sich in ihrem Zimmer umzuschauen. Es war geräumig und in einem nicht übermäßig, aber durchaus weiblichen Stil eingerichtet. Heute Nacht wirkte es warm und gemütlich, und bei Tageslicht würde es hell und hübsch sein. Es gefiel ihr, doch gab es ihr ein gutes Gefühl, ihr neues Domizil jederzeit nach ihren Wünschen ändern zu können. Sie war jetzt Lady Pennington.
Lad y Pennington.
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. War sie wirklich erst vor einer Woche auf Mr. Whitings Geheiß nach England zurückgekehrt? Kaum zu glauben, dass sich ein Leben in so kurzer Zeit derart verändern konnte. Sie war nicht länger mittellos. Sie hatte die Verantwortung für ihre Nichten, für Kinder, um Himmels willen, übernommen. Und sie versteckte sie vor ihrem ... Ehemann. Marcus war ihr Ehemann, und er konnte jeden Moment hier sein. Und er würde wollen ... würde erwarten ... würde einfordern.
Nein! Sie holte tief Luft und ließ sie langsam wieder ausströmen, bis die Panik in ihr und das Verlangen, kopflos aus dem Raum und dem Haus und der Stadt zu fliehen, sich etwas gelegt hatte. Allein der Gedanke war lächerlich. Marcus war ein vernünftiger, logisch denkender Mann. Und soweit sie ihn bisher erlebt hatte, war er auch rücksichtsvoll und liebenswürdig. Diese Geschichte mit den siebeneinhalb Jahren war doch nur zu ihren Gunsten gedacht. Gwen wusste sehr wohl, dass selbst in diesen modernen Zeiten ein Mann mit seiner Ehefrau verfahren konnte, wie er wollte, und sie war völlig seiner Gnade ausgeliefert.
Abgesehen davon war sie mehr und mehr davon überzeugt, dass
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