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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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SCHLENDERN üBER die Pflastersteine und den asphaltierten Platz in den Garten des Instituts. Alles ist still. Ich beginne, mich unter den Baumkronen zu Hause zu fühlen.
    » Um meinem Gedankengang zu folgen «, sagt Peter, während wir den Hang hinaufsteigen, » musst du die Zeit verstehen, auf die wir zurückblicken. Die meisten haben irgendwelche Vorstellungen über die Epoche, in der Jesus gelebt hat. Aber die sind von der Version in der Bibel gefärbt. Und im Neuen Testament dreht sich alles um Jesus. «
    » Und so war es nicht? «
    » Jesus wurde in eine turbulente Zeit hineingeboren. Und das änderte sich auch nach seinem Tod nicht. Die Evangelien wurden lange nach Jesu Leben und Tod geschrieben. Die Evangelisten haben wiedergegeben, was ihnen erzählt worden ist. Sie haben schriftliche Quellen umgeschrieben. Aber auch sie, die Chronisten, waren Kinder ihrer Zeit, die unter dem Einfluss ihrer Umgebung, des Zeitgeistes standen. «
    Wir helfen einander über einen umgestürzten Baumstamm. Die Zweige sind voller zufriedener Blätter, die noch immer zu glauben scheinen, alles sei in bester Ordnung. Peter wischt sich den Staub der Rinde von der Hose, ehe wir weitergehen.
    » Wir müssen den Ausgangspunkt in der Revolte der Juden nehmen «, sagt er, » im Fall von Jerusalem und der Zerstörung des Tempels. Und im Selbstverständnis der Juden nach der schweren Niederlage. Die verbissensten Aufrührer flohen in die Felsenburg Masada. Als die römischen Soldaten schließlich die Festung einnahmen, fanden sie niemanden. Absolut niemanden. Sie alle hatten es vorgezogen, Selbstmord zu begehen, statt sich unter das Joch der Römer zu beugen. Auf diese Weise symbolisierte Masada die jüdische Ehre. «
    » Obgleich sie verloren hatten? «
    » Sie erlitten eine Niederlage, das ja, aber trotzdem eine Niederlage voller Stolz und Furchtlosigkeit. Sie waren zu wenige, die Übermacht zu groß. Aber die missglückte Revolte bildete den Nährboden für Zweifel, sowohl bei den Juden als auch bei den frühen Christen. Sie brauchten Antworten. Jerusalem war zerstört. Der Tempel in Schutt und Asche gelegt. Wo war ihr Gott? Was wollte Er? Was meinte Er? Ohne den Tempel als Versammlungsort verloren die alten Priester ihre Machtbasis. «
    » Aber es standen doch wohl andere bereit? «
    » Aber natürlich. Die Pharisäer, also die Rabbiner. Sie füllten die Leere, die die Priesterschaft hinterließ. Es waren die Rabbiner, die das Judentum in die heutige Richtung führten. «
    » Und die Christen? «
    » Die frühen Christen gehörten noch immer dem Judentum an. Sie waren, wenn das überhaupt möglich ist, noch verwirrter als die anderen. Wo blieb das versprochene Reich Gottes? Wo blieb der Messias? Es waren all diese Fragen, die Markus zu beantworten versuchte. Er verfasste sein Evangelium im Jahre 70 nach Christi Geburt. Vierzig Jahre nach der Kreuzigung. Er schrieb das erste Evangelium, obgleich es im Neuen Testament erst an zweiter Stelle kommt. Aber er schrieb es eben vierzig Jahre nach Jesu Tod. Das ist eine lange Zeit. «
    Wir bleiben stehen. Peter zündet sich einen Zigarillo an, dreht ihn und bläst in die Glut, während er Kreise ins Dunkel zeichnet.
    » In diesen langen Jahren wurde die Jesusgeschichte in mündlichen Geschichten und Hymnen überliefert «, fährt er fort. » In den kleinen christlichen Gemeinden saßen sie im Schein des Feuers und erzählten, was sie von anderen gehört hatten. Manch einer mag die Geschichten leicht verändert haben. Etwas weggelassen oder etwas hinzugefügt haben.
    Sie erzählten von den Gleichnissen und Wundern. Von seinen Worten und Taten. Was sie teilten, waren Erinnerungen, aber gefärbt von Hoffnung und Träumen, von den historischen Sehnsüchten der Vergangenheit. Fakten verschmolzen mit Legenden, Mythen und Hymnen. «
    Irgendwo nicht weit entfernt beginnt das Dieselaggregat der Bewässerungsanlage zu dröhnen.
    » Viele Forscher glauben, Markus habe sein Evangelium in Rom verfasst, andere halten Alexandria oder Syrien für wahrscheinlicher. Aber alle sind sich einig, dass sich sowohl Markus als auch seine Leser im Exil befanden, fernab ihres Heimatlandes, dass sie griechisch sprachen und dass sie nicht sonderlich vertraut waren mit den jüdischen Bräuchen. «
    » Fast als wüssten sie darüber nicht Bescheid? «
    Er nickt nachdenklich. » In gewisser Weise, ja. Diese Menschen waren auf der Suche nach ihren Wurzeln. Das Markusevangelium wurde direkt nach der gescheiterten jüdischen

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