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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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überrascht er mich: Er steht auf und wünscht mir eine gute Nacht. Ich hatte gedacht, er würde sitzen bleiben und mich ausfragen. Mir Geld bieten oder im Verborgenen drohen. Stattdessen reicht er mir die Hand und drückt sie fest.
    Als er gegangen ist, bleibe ich sitzen und trinke den lauwarmen Tee, während ich die Menschen um mich herum beobachte: leise lärmend, eingehüllt in Rauch und Lachen.
    Manchmal fühlt es sich so an, als seien all die anderen nur Statisten, angeheuert, um da zu sein, wo immer man auch ist, aber ohne einen zu bemerken, und als seien Häuser und Landschaften bloße Kulissen, die in aller Hast hochgezogen worden sind, um die Illusion zu vervollkommnen.
    ∗ ∗ ∗
    T ee hat einen besonders harntreibenden Effekt bei mir. Nach zwei Tassen muss ich mich durch die Menschenmengen schieben, vorbei am Notausgang bis in die glänzend saubere, antiseptisch riechende Herrentoilette. Ich versuche, mich beim Pinkeln nicht im Spiegel anzusehen.
    Es ist vermutlich reines Glück. Als ich wieder aus dem Klo komme, erblicke ich den Kellner durch das Gewimmel von Armen und Beinen im Gespräch mit drei Männern. Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Hätte jemand einen Blick auf mich geworfen, hätte er sicher gedacht, ich wäre zur Salzsäule geworden. Vollkommen weiß und regungslos.
    Durch die Menge der Menschen sehe ich Peter. Ich sehe King Kong, und ich sehe meinen guten, alten Freund Michael MacMullin.
    ∗ ∗ ∗
    D raußen vor dem Haupteingang steht ein Ständer mit Fahrrädern. Moderne Mountainbikes, mit denen die Strecken zwischen den einzelnen Gebäuden des Komplexes überbrück t w erden. Sie sind unverschlossen. Man darf sie sich ausleihen. Wer würde auch mitten in der Wüste ein Fahrrad stehlen?
    14
    DER MOND SCHEINT. Um mich herum ist alles dunkel und grenzenlos. Ich kann die Berge in weiter Ferne erahnen, nicht mit den Augen, sondern irgendwie als eine Krümmung des Dunkels. Alles ist groß und flach und schwarz. Es fühlt sich an, als strampelte man durch die Luft. Meine Aufmerksamkeit richtet sich abwechselnd auf den Himmel, der sich über mir wölbt, und den Lichtfleck der Lampe, der das Fahrrad zitternd hinter sich her über den Asphalt zieht.
    Ich friere. Ich habe Angst. Genauso muss sich ein Astronaut fühlen, der im All immer weiter von seinem Raumfahrzeug wegschwebt.
    Es gibt keine Geräusche. Keine bellenden Kojoten, keine fernen Zugsirenen oder lärmenden Zikaden. Das Einzige, was ich in dieser Kuppel der Stille höre, ist das Knirschen des Fahrrads.
    Die Nacht hat kein Ende. Der Mondschein ist flach und kalt. In der absoluten Dunkelheit frisst das Licht der Fahrradlampe die weiße Mittellinie Meter um Meter.
    ∗ ∗ ∗
    G egen Morgen drückt sich ein gelber Streifen über den Horizont. Ich habe versucht, so schnell zu fahren, dass ich ins Schwitzen komme, doch mir klappern vor Kälte die Zähne. Bei einem rostroten Felsblock halte ich an, atemlos und schlotternd. Hier bleibe ich auf dem harten Fahrradsattel sitzen und genieße die Dämmerung.
    15
    ALS ICH ACHT JAHRE ALT war, nahmen mich Papa und Trygve zum ersten Mal mit in eine Sauna. Wir hatten bei eisiger Kälte eine lange Skitour gemacht, und als sie mich in die Sauna einluden, war das, wie in die heimlichen Rituale der Erwachsenen eingeweiht zu werden. In den ersten Minuten blieb ich standhaft sitzen und rang nach Atem. Dann goss Papa eine Kelle Wasser auf die glühenden Steine des Ofens.
    In der Wüste gibt es keine Holztür, durch die man nach draußen stürmen kann.
    Die Wärme umschließt mich wie ein schützendes Handtuch. Die Luft ist schwer und satt, und die Hitze legt sich eng um meinen Körper. Das Atmen tut weh. Die Sonnenstrahlen bohren sich durch mich hindurch und quetschen mich zusammen.
    Mit mechanischen Bewegungen trete ich in die Pedale. Jeder Tritt ist eine Überwindung. Plötzlich bemerke ich, dass ich vom Rad gestiegen bin und schiebe.
    Die Luft zittert. Die Hitze ist eine Wand aus zähem Gummi.
    ∗ ∗ ∗
    I ch höre das Auto lange, bevor ich es sehen kann. Deshalb gelingt es mir, das Fahrrad von der Piste zu schieben und mich in einem Graben zu verstecken. Ein paar Minuten später fegt es vorbei.
    Ein Mercedes mit getönten Scheiben.
    Zur Sicherheit und um ein wenig zu Kräften zu kommen, bleibe ich im Graben liegen. Früher ist hier einmal ein Bach geflossen. Das ist lange her. Irgendwann im Altertum.
    Ich habe Durst. Ich habe nichts zu trinken mitgenommen. Es war nicht so warm, als ich

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