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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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durch Grethe. Sie reißt die Augen auf und ringt nach Luft.
    Ich streichle ihre Hand.
    Eine Schwester kommt ins Zimmer gerannt. Dann ein Arzt.
    Ich lasse Grethes Hand los. Sie fällt auf die Decke. Als ich mich erhebe, taumele ich nach hinten und stoße dabei gege n d en Stuhl, der krachend umkippt. Ich trete einen Schritt zur Seite, um den Arzt vorbeizulassen.
    Das Erste, was er tut, ist, den Apparat auszuschalten. Das Piepen verstummt. Die Stille ist ohrenbetäubend. Er presst seine Fingerkuppen auf Grethes Hals und nickt der Schwester zu. Vorsichtig knöpft er Grethes Pyjama auf und drückt ihr das Stethoskop auf die Brust.
    » Können Sie denn nichts tun? «, frage ich.
    » Es ist so am besten «, sagt der Arzt.
    Die Schwester streichelt meinen Arm. » Sind Sie ihr Sohn? «
    Der Arzt schließt Grethes Augen.
    Draußen vor dem Fenster sehe ich einen Mann, der über ein Gerüst balanciert.
    » In gewisser Weise «, sage ich.
    Keiner sagt etwas.
    » Sie hat es gut, jetzt «, sagt die Schwester und drückt meinen Arm.
    Ich sehe Grethe an.
    » Wollen Sie mit ihr allein sein? «, fragt die Schwester.
    » Allein? «
    » Bevor wir sie fertig machen? Und nach unten bringen? «
    » Ich weiß nicht … «
    » Wenn Sie ein bisschen Zeit brauchen. «
    » Es ist nicht so schlimm. «
    » Wir können ein paar Minuten nach draußen gehen. «
    » Das ist nett. Aber danke. «
    » Sie müssen es nur sagen. «
    » Danke. Das ist nett von Ihnen. Aber es geht schon. «
    Trotzdem gehen sie nach draußen und lassen mich mit ihr allein.
    Ich versuche, in ihrem Gesicht einen Ausdruck von Verständnis zu finden, von Wärme, einer friedliche Ruhe. Aber sie sieht bloß tot aus.
    Ich gehe aus dem Raum, ohne mich noch einmal umzusehen.
    Als ich das Krankenhaus verlasse, beginnt es zu regnen, ein leichtes Nieseln.
    2
    Vor der orangefarbenen Plastikabsperrung halten wir an und starren durch Bollas Windschutzscheibe. Der Regen trieft und tropft. Die Zelte sind abgebaut, doch das meiste der Ausrüstung ist noch in dem verschlossenen Container. Der Wind fegt über den Acker und peitscht Regenschleier vor sich her. Die Plastikbänder, die an die Spitzen der Markierungspfosten gebunden worden sind, flattern wie Wimpel. Mein Regiestuhl ist umgeweht und hängt drüben in der Hecke. Niemand hat sich die Mühe gemacht, ihn in den Container zu räumen.
    Ich sehe die Ausgrabung vor mir, die Professoren unter dem aufgespannten Segeltuch, Mosche und Ian, die wie blutrünstige Mücken die grabenden Studenten umschwärmen.
    Als Professor Llyleworth verschwand, löste sich die Arbeit auf. Jetzt fragen sich bestimmt alle, wie es weitergehen soll, ehe die Bulldozer die Berge mit Mutterboden und die ausgehobenen Schächte wieder planieren.
    Ich wende mich an MacMullin. » Sie hat nach Ihnen gefragt, «, sage ich.
    Er blickt nach vorn. Seine Augen sind tief, feucht.
    » Das liegt jetzt so lange zurück «, sagt er. Die Worte sind nach innen gerichtet. » Ein anderes Leben. Eine andere Zeit. Jetzt bin wohl bald ich an der Reihe. Vielleicht sehe ich sie dann wieder. «
    Sein Gesicht ist alt, wie Pergament, aber mit der Glut de r J ugend, einem ungeduldigen Eifer. Er sieht jünger aus als je zuvor. Als lasse die Gewissheit, so dicht vor dem Ziel zu sein, eine innere Glühbirne aufleuchten, die durch die dünne Haut strahlt.
    Etwas in mir bebt.
    » Wer sind Sie? «, frage ich.
    Zuerst bleibt er still. Dann sagt er: » Sie haben wohl eine Vermutung, da Sie fragen. «
    Die Stille vibriert zwischen uns.
    Er reibt die Handflächen gegeneinander. » Sie sind kein dummer Junge. «
    Ungläubig sage ich: » Ich weiß, wer Sie sind. Das habe ich mittlerweile erkannt. «
    » Ach ja? «
    » Sie sind nicht nur einfach ein Mitglied des Rates, oder? «, frage ich.
    Er lacht leise.
    Ich entlasse ihn nicht aus meinem Blick. Er streckt die Finger. Seine Nägel sind manikürt. An der linken Hand fällt mir zum ersten Mal der Siegelring mit dem gewaltigen Opal auf.
    Ich pfeife leise, nach innen. » Sie sind der Herrenmeister! «, sage ich.
    Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen. Seine Wangen erröten.
    » Ich? Bjørn, Sie müssen verstehen, es gibt nur zwölf Männer in der ganzen Welt, die die Identität des Herrenmeisters kennen. Zwölf Männer! «
    » Und Sie sind der Herrenmeister! «
    » Sie wissen, dass ich Ihnen auf diese Frage keine Antwort geben kann «, sagt er.
    » Das war keine Frage. «
    » Trotzdem … «
    » Verflucht! «, brumme ich. » Sie sind der Herrenmeister. «
    »

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