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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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Grabungsunterlagen am Kloster Værne ausgebreitet. Stapel mit Briefen, Dokumenten, Tabellen, Formularen, Karten; alles gewürzt mit der Vielzahl von Stempeln und Signaturen, die jede Bürokratie hinterlässt, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Es gibt Gesuche und Antworten, Beschreibungen und Präzisierungen in einer wundersamen Mischung aus Englisch und Norwegisch.
    » Ich hab mich wie ein Verbrecher gefühlt, als ich die Kopien gemacht habe «, sagt Caspar nervös. Ich weiß nicht, ob er einen Spaß macht. Ich glaube es nicht. Er ist mit den Jahren so rechtschaffen geworden. Der Staat hat auf loyale Diener diesen Effekt. Sie fühlen sich eins mit dem System. Als ob sie das System wären. Was nicht so weit von der Wahrheit entfernt ist.
    Kristin schwebt wie eine geschäftige Fee um uns herum und zündet tausend kleine Kerzen an, die die Wohnung wie ein verstecktes Bergkloster im alten Griechenland aussehen lassen. Sie schenkt uns Tee in die großen Steinguttassen. Immer wieder sieht sie mich an. Schnelle, gespannte Blicke, als warte sie darauf, dass ich etwas Erlösendes sage. Aber ich denke nicht daran. Sie hat Kekse und Waffeln gebacken. Tief drinnen in Kristin, hinter der Abteilungsleiterin, hinter der sexy Feministin, hinter der Volkswirtschaftlerin, hinter der Anarchistin, hinter der hübschen, weltgewandten Fassade, wohnt eine umsichtige Frau, die uns verwöhnen will.
    Ich ziehe zufällig ein Schreiben heraus, das mit Caspar Scott signiert ist. Unter dem Logo des Reichsantiquars und dem Nationallöwen lese ich: » Bezugnehmend auf das Kulturerbegesetz vom 9. Juli 1978, zuletzt novelliert am 3. Juli 1992, wird hiermit der Society of International Sciences (SIS), vertreten durch Geschäftsführer Michael MacMullin (im Folgenden Gesuchsteller genannt), die Genehmigung für archäologische Ausgrabungen unter Leitung von Professor Graham Llyleworth im definierten Bereich (NGO/Kartenwerk Koordinaten 1306/123/003) erteilt. Die Pläne unterliegen der Oberaufsicht der Abteilung für Kulturerbeschutz. Der Gesuchsteller verpflichtet sich, den Weisungen der Behörden, vertreten durch den sich vor Ort befindlichen archäologischen Repräsentanten (Kontrolleur) Folge zu leisten. Die Suche nach einer Burganlage fällt in das Ressort des Reichsantiquars (lt. Vorschrift zur fachlichen Arbeitsteilung), doch da die Arbeit noch weitere Gesichtspunkte verfolgt, wird die Verantwortlichkeit an das lokale archäologische Landesmuseum (c/o Altertumssammlung Universität Oslo) delegiert. «
    ∗ ∗ ∗
    E s gab einmal eine Zeit, in der Caspar Gedichte schrieb. 1986 wurde eines seiner Gedichte in der Samstagsausgabe des Dagbladet abgedruckt. Vielleicht hätte er daraus etwas machen können. Schon komisch, was die Ämter mit dem Sprachgefühl eines Menschen anstellen.
    Es finden sich noch weitere Papiere – über die Ziele der Ausgrabung, die Frage, wie eventuelle Funde archiviert und ausgestellt werden sollen, und über die Art der vorgesehenen Publikationen. Ich lese, dass Professor Graham Llyleworth –renowned professor of archaeology, author of numerous text books and scientific papers published by universities worldwide –die fachliche Verantwortung für die Ausgrabung übertragen bekommt. Ich lese, wie wahrscheinlich es sein soll, eine Rundburg mit zugehörigen Kasernen zu finden. Ich lese das Emp fehlungsschreiben von Professor Arntzen, der sich für das alles einsetzt, inklusive meiner Wenigkeit als Kontrolleur, und registriere den Stempel und die unleserliche Unterschrift des Institutsleiters Frank Viestad.
    Schließlich lege ich alle Kopien auf den Tisch und sage: »Ein Vorwand.«
    » Für was? «, fragt Caspar.
    Ich kenne Caspar gut genug, um zu wissen, dass er ihr alles erzählt hat, und ich kenne Kristin gut genug, um zu wissen, dass sie vor Neugier platzt.
    » Die wussten, dass wir niemals eine Rundburg finden würden «, sage ich.
    » Weil sie nicht nach einer Rundburg gesucht haben «, ergänzt Caspar.
    » Exakt! Die waren auf der Jagd nach etwas viel Größerem. «
    ∗ ∗ ∗
    K ristin blickt mit ihrem besorgten Könnendas-die-Nerven-sein -Blick von mir zu Caspar.
    » Größer als eine Rundburg? «, fragt Caspar.
    Ich zwinkere Kristin mit meinem listigsten Frisch-wie-ein -F ischBlick zu. » Wichtiger als eine Rundburg «, sage ich dann.
    Kristin dreht sich um, um sich einen Keks zu nehmen, und die Art, wie sich ihre Bluse strafft, lenkt mich ab, weil sich ihre Brustwarzen auf dem Stoff abzeichnen. Caspar folgt

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