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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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ist mir sehr unangenehm. Hatten Sie wirklich einen Termin mit ihm? «
    » Streng genommen nicht. Wann wird er zurückerwartet? «
    » Das weiß ich nicht. Mr. MacMullin gehört nicht gerade zu denen … Aber vielleicht kann Ihnen jemand anders weiterhelfen? «
    » Ich bin Archäologe «, erzähle ich. Meine Zunge gehorcht mir nicht richtig, auf Englisch hat » Archäologe « einfach zu viele Konsonanten hintereinander. Rrrr … kay … olo … gist.
    » Mr. MacMullin ist in eine Ausgrabung involviert. In Norwegen. «
    » Was Sie nicht sagen. «
    » Und ich muss wirklich mit ihm sprechen. Ist es möglich, ihn zu erreichen. Vielleicht über sein Handy? «
    Sie brummelt etwas resigniert. » Tut mir Leid. Das ist wirklich ausgeschlossen. Quite impossible! Sie müssen verstehen, als Vorstandsvorsitzender hat MacMullin sein Büro hier, aber er kommt und geht, ohne uns darüber Bescheid zu geben «, sie beugt sich etwas vor und senkt die Stimme, » die wir hier versuchen, ein bisschen Ordnung zu halten. Aber vielleicht kann Ihnen unser Geschäftsführer helfen? «
    » Gerne. «
    » Mr. Winthrop! Einen Augenblick. « Sie wählt eine interne Nummer und erklärt, dass Mr. Balto aus Norwegen gekommen sei, um etwas mit Mr. MacMullin zu besprechen –» Yes, really! No, no appointment! Yes, isn ’ t it? « –, und ob es möglich sei, stattdessen mit Mr. Winthrop zu sprechen? Sie sagt mehrmals aha, ehe sie sich bedankt und auflegt.
    » Mr. Winthrop hat heute leider keine Zeit, aber seine Sekretärin hat mir gesagt, er könne Sie morgen treffen. Um neun Uhr. Würde Ihnen das passen? «
    » Natürlich. «
    » Dass Sie dafür den weiten Weg aus Norwegen auf sich genommen haben, also wirklich. «
    ∗ ∗ ∗
    O bgleich sie an diesem Tag bereits geschlossen ist, gestattet mir die Großmutter, einen Blick in die Bibliothek der Stiftung zu werfen.
    Meine Faszination für Bibliotheken stammt noch aus meiner Jugend, als die lokale Filiale der Deichmann ’ schen Bibliothek ein Zufluchtsort nach der Schule war, wenn mich Mama nach draußen gescheucht hatte, um mit den sonnengebräunten Jungs Fußball zu spielen. Irgendetwas an diesen Laufmetern von Büchern erfüllt mich immer mit Andacht. Die Stille. Die alphabetische und thematische Systematik. Der Geruch des Papiers. Die Märchen, Dramen, Abenteuer. Stundenlang kann ich durch Bibliotheken laufen, Bücher herausziehen, in ihnen herumblättern, mich mit einem, das mich fasziniert, hinsetzen, durch die langen, schmalen Karteikästen blättern oder die Datenbanken im Computer durchstöbern.
    Auch in der Bibliothek der SIS herrscht eine unerklärliche Ruhe. Wie in einer Kirche. In der Mitte des Raumes bleibe ich stehen, die Arme verschränkt, und sehe mich staunend um, lauschend.
    » Wir haben leider geschlossen. «
    Die Stimme klingt hell, etwas spitz. Ich drehe mich um.
    Sie muss mucksmäuschenstill dagesessen und mich beobachtet haben. Vermutlich hat sie gehofft, ich würde von selbst verschwinden. Wenn sie nur still genug wäre. Sie sitzt hinten bei den Archivschränken. Im Schoß auf ihrem Tweedrock liegt ein Stapel Karteikarten.
    » Die Frau an der Rezeption hat gesagt, ich dürfe mich einmal kurz umschauen «, erkläre ich.
    » Das ist schon in Ordnung. «
    Das Lächeln gibt dem Jungmädchengesicht etwas Reife. Ich schätze sie auf Mitte zwanzig. Sie hat halblanges, rotblondes Haar und einen Anflug von Sommersprossen. Süß. Was meinen Blick anzieht, sind ihre Augen. Wie in einem Kaleidoskop glitzert ihre Iris in den verschiedensten Farben. Es ist mir bewusst geworden, dass es Farben gibt, die nur ich sehe. Man kann eine Farbe nicht beschreiben. Ein Wissenschaftler kann etwas über die spektrale Zusammensetzung des Lichts sagen, dass Rot eine Wellenlänge zwischen 723 und 647 Nanometern hat, doch im Grunde ist jede Farbe ein subjektives Erlebnis. Deshalb kann es gut sein, dass wir alle Farben sehen, von denen nur wir etwas wissen. Das ist ein faszinierender Gedanke.
    Genauso sind ihre Augen.
    Sie legt den Stapel Karten auf einen Rolltisch. Sie ist dünn , nicht sonderlich groß. Ihre Nägel sind sehr lang und spitz und tiefrot lackiert. Ich habe Nägel nie als etwas Sinnliches empfunden, aber immer, wenn ich auf ihre Nägel blicke, muss ich mir vorstellen, wie es wäre, von diesen Nägeln über den Rücken gekratzt zu werden.
    » Kann ich Ihnen irgendwie helfen? «, fragt sie.
    Der Tonfall, der Blick, die grazile Gestalt – irgendetwas an ihr zieht die Spiralfeder auf, die mich

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