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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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ticken und laufen lässt. Sie hat eine nervöse Präsenz, eine ruhelose Energie.
    » Ich weiß nicht wirklich, wonach ich suche «, sage ich.
    » Tja, dann ist es auch nicht so leicht, etwas zu finden. «
    » Ich frage mich so vieles. Sie haben wohl auch keine Antworten parat? «
    » Auf welche Fragen? «
    » Ich weiß nicht. Aber wenn Sie mir eine Antwort geben, werde ich schon eine Frage dazu finden. «
    Sie neigt den Kopf zur Seite und lacht, und in diesem Augenblick ist es um mich geschehen. Das war schon genug.
    » Woher kommen Sie? «, fragt sie.
    » Norway. «
    Sie zieht die Augenbrauen hoch. » What do you mean –now here? «
    Ich rolle das R: » Nor-way! I ’ m an … « , ich nehme Anlauf, um das Wort richtig auszusprechen, » … archea olo gist. «
    » Arbeiten Sie hier an der SIS? «
    » Das nicht, eher im Gegenteil. « Ich lache angespannt.
    » Betreiben Sie hier research? «
    » Ich bin gekommen, um Michael MacMullin zu treffen. «
    Sie blickt rasch auf, erstaunt. Dann will sie etwas sagen, lässt es aber bleiben. » Oh «, sagt sie schließlich. Der Laut formt die Lippen zu einem süßen, kleinen Schmollmund.
    » Ich habe ein paar Fragen an ihn. «
    » Das haben wir alle. «
    Ich lächle. Sie lächelt. Ich werde rot.
    » Was für eine Bibliothek ist das hier? «, frage ich.
    » Vorwiegend Fachliteratur. Geschichte, Theologie, Philosophie, Archäologie, Kulturgeschichte, Mathematik, Physik, Chemie, Astronomie, Soziologie, Geografie, Anthropologie, Architektur, Biografien und so weiter … «
    » Oh «, sage ich, » solche Alltäglichkeiten. «
    Sie lacht wieder und sieht mich neugierig an. Bestimmt fragt sie sich, was für ein merkwürdiges Geschöpf ich bin und wer den Käfig geöffnet und mich freigelassen hat.
    » Und Sie sind die Bibliothekarin? «, frage ich.
    » Eine davon. Hi, ich heiße Diane! « Sie streckt mir ihre Hand mit den roten Nägeln entgegen. Ich ergreife sie.
    » Ich bin Bjørn! «
    » Oh! Wie der Tennisspieler? Borg? «
    » Finden Sie, wir sehen uns ähnlich? «
    Sie mustert mich eingehend, kaut auf dem Bleistift herum.
    » Nun «, neckt sie mich schließlich, » der hatte vielleicht eine Spur mehr Farbe als Sie. «
    4
    ZUM ABENDESSEN GEHE ICH in das Stammlokal aller seriösen Vegetarier Londons. Begeistert wähle ich eines der teuersten Gerichte von der Speisekarte, eine Komposition aus Rosenkohl, Champignons und Spargel, mit Sahnesauce und Knoblauch.
    Ich hätte an den Schrein denken sollen. Und an Llyleworths freche Manöver. Ich hätte über das Geheimnis nachsinnen sollen, das sich um Charles DeWitt rankt. Ich hätte Grethe anrufen sollen. Sie hätte mir vielleicht etwas erkläre n k önnen. DeWitt könnte pensioniert worden sein. Seine Visitenkarte sah nicht gerade neu aus.
    Stattdessen denke ich an Diane.
    Vielleicht verliebe ich mich deshalb so schnell, weil ich in jeder Frau eine mögliche Geliebte und zukünftige Ehefrau sehe. Ein Lächeln, eine Stimme, eine Berührung … Ich bin nicht abstoßend. Ich bin blass, aber nicht hässlich. Alle sagen, ich hätte nette Augen. Zwar rote, aber nette rote Augen.
    ∗ ∗ ∗
    M eine Gedanken kreisen um die Rätsel meiner selbst, während ich Rosenkohl, Pilze und Spargel esse und eine Karaffe Wein leere.
    Dann stoße ich auf und gehe.
    5
    EINE NORWEGISCHLEHRERIN hat mir einmal eine Frage gestellt.
    » Bjørn, wenn du kein Mensch wärst, sondern eine Blume –welche Blume wärst du dann am liebsten? Sie kam immer auf die merkwürdigsten Fragen. Ich glaube, es machte ihr Spaß, mit mir zu spielen. Ich war ein dankbares Opfer. Ich war siebzehn Jahre alt. Sie war doppelt so alt wie ich. «
    » Eine Blume, Bjørn? «, wiederholte sie. Ihre Stimme klang weich, angenehm. Sie beugte sich über meinen Tisch. Noch immer erinnere ich mich an ihren Duft; warm, nach Kräutern, voller feuchter Geheimnisse.
    Es war still im Klassenzimmer. Alle fragten sich, welche Blume Bjørn wohl sein wollte. Oder sie hofften, ich würde zu stottern beginnen und rot werden, wie sonst immer, wen n s ie sich mit all ihren Düften und schaukelnden Verlockungen über meinen Tisch beugte.
    Doch dieses eine Mal hatte ich eine Antwort auf ihre ständigen Fragen.
    Ich erzählte ihr vom Silberschwert.
    Das wächst an den Vulkanhängen in Hawaii. Zwanzig Jahre lang ist die Pflanze eine unscheinbare Kugel mit silber schimmernden Haaren. Sie sammelt Kraft. Plötzlich, eines Sommers dann, explodiert sie zu einer überschwänglichen Blüte in Gelb und Purpur. Und dann

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