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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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kalkuliert sie, wie viel Tinte ich verbrauche.
    » Verehrteste, vielleicht wären Sie so freundlich, Kontakt mit mir aufzunehmen, sollte Ihnen trotzdem noch etwas in den Sinn kommen … « Ich reiche ihr meine eigene Visitenkarte, auf die ich den Namen des Hotels geschrieben habe , » … unter dieser Adresse? «
    Sie lächelt. Ich traue meinen eigenen Augen nicht. Sie lächelt butterweich, was wohl damit zu tun hat, dass ich offensichtlich den Rückzug antrete.
    » Aber natürlich! «, gurrt sie und legt meine Visitenkarte auf den äußersten Rand der Schreibtischplatte.
    Über dem Mülleimer.
    3
    UM EIN ANSCHEINEND SO einfaches, bautechnisches Detail wie eine Säule rankt sich eine kunsthistorische Wissenschaft mit einer Typologie und einem Vokabular, das einem schier die Sprache verschlägt.
    Die zwei Marmorsäulen, vor denen ich bewundernd stehe, gehören der zweitausendfünfhundert Jahre alten Ionischen Ordnung an. Über ionische Säulen sagen Kunsthistoriker, sie seien auf » eine Basis gestellt « u nd » die Strenge der Kanneluren « werde durch » die Voluten des Kapitels gemildert «, » die Kanneluren « seien » durch Stege voneinander getrennt und … « Bla, bla, bla! Jede Wissenschaft, jedes Fachgebiet verbarrikadiert sich hinter seiner eigenen Terminologie, seinem fremdartigen Vokabular. Wir anderen stehen da glotzend außen vor.
    Die Säulen tragen einen Giebel, und im Tympanon, dem dreieckigen Giebelfeld, winden sich Cherubim und Seraphim um die Jahreszahl 1900.
    An der Backsteinwand zu beiden Seiten des Portals sind glänzende Messingschilder befestigt, die derart aufpoliert sind, dass sich die roten Doppeldeckerbusse, die hinter mir vorbeifahren, darin spiegeln. Die gravierten Buchstaben sind mit Silber ausgegossen. Niemand kann der Society of International Sciences den Vorwurf machen, knauserig zu sein.
    Die Flügeltür ist aus blutroter Buche. Der Türklopfer fungiert vor allem als Ermahnung, dass man hier nicht einfach so hineingeht. Zu meiner Rechten –zwei Meter unterhalb der Überwachungskamera unter dem Giebelvorsprung –ist eine Gegensprechanlage aus schwarzem Plastik in die Wand eingelassen worden. Wie um diesen ungeheuerlichen Stilbruch zu entschuldigen, ist der Klingelknopf wie eine goldene Blume (oder ist es eine Sonne?) geformt.
    Ich klingle. Und werde eingelassen. Ohne weitere Fragen.
    ∗ ∗ ∗
    D ie große, offene Rezeption erinnert an eine Bank, bei der man einen Termin braucht, um Geld einzahlen zu können. Es summt von leisen Stimmen und hastigen Schritten. Die Wände sind bis in Brusthöhe mit dunklem Holz vertäfelt, darüber hängen Ölgemälde, bei denen es sich um Leihgaben aus der National Gallery handeln muss. Das Mosaik der Keramikfliesen auf dem Boden glänzt wie Lack. Inmitten der Rezeption wächst aus einem viereckigen Loch im Boden eine Palme, die sich nach der Sahara zu sehnen scheint. Sie streckt ihre Blätter zu den schräg ins Dach eingelassenen Atelierfenstern empor.
    Das Einzige, was nicht zu dem ganzen Erscheinungsbild passt, ist die Großmutter.
    Hinter einem riesigen Schreibtisch, auf dem man auch hätte Tischtennis spielen können, sitzt eine grauhaarige alte Frau und strickt. Sie sieht mich an, gut gelaunt, und strickt weiter. Vermutlich bin ich so verwirrt, weil das ganze Ambiente so ganz und gar nicht zu dieser strickenden Großmutter passt.
    » Kann ich Ihnen helfen? «, fragt sie freundlich. Die Stricknadeln klicken aneinander.
    » Was stricken Sie da? «, rutscht mir heraus.
    » Socken! Für meinen Enkel. Einen Jungen, a darling! Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? «
    Ihre Frage ist scherzhaft gemeint. Ich mag sie augenblicklich. Menschen mit Humor kann ich mein klopfendes Herz anvertrauen.
    Ich stelle mich vor und sage, dass ich aus Norwegen gekommen bin.
    » The land of the midnight su n « , sagt sie mit einem wiedererkennenden Lächeln. » Dann kennen Sie vielleicht Thor Heyerdahl? « Ihr Lachen gluckst und sprudelt. » Ein charmanter Mann! Er ist häufig bei uns. Was kann ich für Sie tun? «
    » Wenn es möglich ist, würde ich gerne Michael MacMullin sprechen. «
    Ihre Augen werden groß. Sie legt das Strickzeug beiseite. Ich fühle mich wie ein höchst unwillkommener Asylsuchender. Vom Planeten Jupiter. Der gerade nach Kleingeld für die Parkuhr gefragt hat, an der er seine fliegende Untertasse abgestellt hat.
    » Ach, du lieber Gott … «
    » Stimmt etwas nicht? «
    » Er … Es tut mir Leid, aber Mr. MacMullin ist im Ausland. Das

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