Egeland, Tom
wo? «
» In irgendeinem verfluchten Dschungel. «
Ich bleibe ein paar Sekunden still sitzen, dann frage ich : » Einem Dschungel? «
» Das habe ich doch gesagt, oder? «
» Sie meinen – in Afrika? «
Sie verdreht die Augen. » Ich rede garantiert nicht vom Oxford Circus! «
» Es geschah nicht zufällig im Sudan? «
» Warum fragen Sie, wenn Sie doch schon alle Antworten kennen? «
» Wie verlief die Ausgrabung? «
Sie wirft den Kopf zu Seite. » Keine Ahnung! Darüber hab e i ch mir, ehrlich gesagt, nie Gedanken gemacht. Genauer gesagt: Es war mir egal. Vor seinem Tod hat er mir noch geschrieben. Einen Abschiedsbrief, wie sich herausstellen sollte. «
Sie schnippt mit den Fingern. Die Haushälterin, die wie eine dicke, reglose Buddhafigur in der Ecke steht, erwacht zu neuem Leben, öffnet eine Schatulle und gibt der Dame des Hauses eine Schachtel. In dieser Schachtel liegen fünf beschriebene Zettel, die mit einem schwarzen Seidenband zusammengebunden sind. Sie öffnet die Schleife und reicht mir die spröden Blätter.
Ich zögere.
» Lesen Sie schon! «, kommandiert sie.
∗ ∗ ∗
A m Nil, südlicher Sudan Montag, 14. August 1978
Meine geliebte Jocy!
Was für ein Pech! Auf dem Weg vom Zeltlager zur Ausgrabungsstätte war ich unaufmerksam (keine Kommentare, bitte), bin über eine Wurzel gestolpert und dann einen Hang mit Kies und Lehm nach unten gerutscht. Keine Angst, meine Liebe, der Sturz war nicht schlimm, aber ich habe mir ein bisschen das Knie verstaucht und mir an einem spitzen Stein den Arm aufgerissen. Es hat eine Weile schlimm geblutet, doch ein boy hat mich verbunden und zurück ins Lager gebracht. Und da zeigte es sich dann, dass wir den Erste-Hilfe-Koffer nicht finden konnten. Ist das nicht typisch? MacMullin schickte mich ins Zelt, damit ich mich heute ruhig halte, sodass die Wunde verheilen kann. Sie ist nicht sonderlich tief, ich glaube, sie muss nicht genäht werden.
Aber wir sollten das Gute darin sehen, denn da ich jetzt hier auf dem Feldbett sitze und mich langweile, habe ich –endlich –die Gelegenheit, dir ein paar Zeilen zu schreiben. Ja, ja, ich weiß, ich hätte das längst tun sollen, aber MacMullin gehör t n icht gerade zu denen, die Freizeit und Müßiggang als etwas Positives für den Menschen betrachten …!
Es ist hier unten heißer, als ich befürchtet habe, ehrlich gesagt vollkommen unerträglich, aber das Schlimmste ist dennoch die Feuchtigkeit, die an einem klebt wie nasse Farbe. Und all die Insekten! (Aber da du so ein herzliches Verhältnis zu Insekten hast, werde ich nicht weiter darauf eingehen, wie groß sie sind –riesig!!!! unglaublich!!!! –oder wo sie sich überall finden –im Bett! In den Schuhen! In den Kleidern!) Was die Ausgrabung angeht, so sind wir schon recht weit (oder tief, hahaha). Ich will dich mit meiner Fachsimpelei nicht langweilen, ich weiß ja, wie langweilig du meine Arbeit findest, aber dennoch: Wir suchen nach Spuren eines persischen Feldzugs. Ich weiß nicht, wie oft ich MacMullin schon gesagt habe, dass der Schrein niemals bei den Persern gelandet ist, sondern dass ihn die Johannitermönche in dem Oktogon bei ihrem Kloster in Norwegen versteckt haben müssen. Aber keiner hört auf mich. Außer Birger. Friede sei mit ihm … Jetzt kommt das Essen! Sp ä ter mehr, meine Liebe!
∗ ∗ ∗
E s ist jetzt halb zwei (in der Nacht!!!), ich kann nicht schlafen, draußen ist das Dunkel voller fremder Laute und schwerer Gerüche.
Die afrikanische Nacht beherbergt etwas, das ich zu Hause noch nie erlebt habe, als flüstere einem jemand zu, als erwachte etwas zu neuem heben. Ich denke nicht an die Tiere oder Insekten, sondern an etwas unbeschreiblich Größeres. Vergib mir, wenn ich theatralisch werde.
Ich glaube, ich habe Fieber. Mir ist kalt, obwohl es hier drinnen im Zelt sicher fünfunddreißig Grad sind und es feucht ist wie in einem verdammten Treibhaus.
Die Wunde im Arm brennt fürchterlich. Verdammt, verdammt, verdammt.
Ich muss versuchen zu schlafen. Ich vermisse dich, meine Freundin.
∗ ∗ ∗
D iensta g
E s war so, wie ich es befürchtet habe. Ich habe Fieber. Vermutlich habe ich eine Infektion in diesem verdammten Riss!
Mach dir keine Sorgen, Jocy. MacMullin hat beschlossen, mich zurück in die Provinzstadt zu bringen, wo es ein Krankenhaus gibt. Das wird einen Tag zu Fuß und einen mit dem Jeep dauern. Ich kann es ruhig sagen, wie es ist. Mir graut davor.
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D ienstagaben d
D en ganzen Tag
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