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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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versucht, dich zu erreichen. «
    » Ich musste ins Ausland. Ich war in London. «
    » Oh. «
    » Arbeit «, füge ich als Antwort auf ihre unausgesprochene Frage hinzu.
    » Rufst du aus Norwegen an? «
    » Ich bin gerade nach Hause gekommen. «
    » Die Verbindung ist so schlecht. «
    » Ich höre dich gut. «
    » Ich hab es schon ein paarmal bei dir probiert. Trygve will auch mit dir sprechen. Es ist sehr wichtig, Lillebjørn! «
    » Ich musste kurzfristig weg. «
    » Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht. «
    » Du musst dir keine Sorgen machen, Mama. Ich wollte mich nur bei dir entschuldigen. «
    » Entschuldigen? «
    Sie tut so, als sei nichts gewesen. Dabei weiß sie ausnehmend gut, worüber wir sprechen. Und sie weiß, dass ich es weiß.
    » Für – diesen Abend. Was ich gesagt habe. Ich war nicht ganz bei mir. «
    » Ist nicht so schlimm. Lass uns das vergessen. «
    Das ist mir recht, denn ich weiß ohnehin nicht, wie ehrlich ich das alles meine.
    Das Gespräch verliert sich in Oberflächlichkeiten. Eine Eingebung lässt mich fragen, ob ich kurz vorbeikommen kann, um etwas mit ihr zu besprechen. Sofort bereue ich es wieder, aber sie freut sich so, dass ich jetzt nicht mehr zurückkann. Mama verabschiedet sich und legt auf. Ich bleibe stehen, den Hörer in der Hand.
    Dann klickt es noch einmal.
    » Mama? «, frage ich.
    Aber alles bleibt still.
    ∗ ∗ ∗
    » Du? «, sagt Roger.
    Er ist hellwach und angezogen. Obwohl es erst halb eins ist. Zwischen den Lippen hat er einen Joint. Seine Augen leuchten. Lächelnd lässt er mich herein.
    Das Wohnzimmer duftet schwer nach süßem Rauch. Allein durch das Atmen kann man high werden. Der Geruch dehnt sich aus und presst sich gegen Wände und Fenster, um mehr Platz zu bekommen. Roger kichert.
    Auf der Kommode im Flur liegt ein Stapel Post, den er für mich entgegengenommen hat. Zwischen Zeitungen, Reklame und Rechnungen finde ich ein Kuvert von Caspar, in dem ein Telefax vom Schimmer-Institut an den Reichsantiquar ist. Sie freuen sich, Mr. Bjørn Beltø zu dem Studienaufenthalt einzuladen, den der Reichsantiquar empfohlen hat. Und nicht nur das: Sie bieten mir ein Reise-und Forschungsstipendium an, das den Großteil der Kosten decken wird. Der Kontakt zu norwegischen Forscherkollegen sei so schlecht. Sie geben eine Telefonnummer und einen Namen an: Pete r L evi, meine Kontaktperson für den Fall, dass ich das Angebot annehme. Was sie hoffen. Sobald wie möglich. Ich muss nur anrufen.
    Ich stecke den Brief in die Innentasche meiner Jacke und sage zu Roger: » Ich hab etwas für dich. «
    Er grunzt erwartungsvoll.
    Ich gebe ihm die CD. Er reißt das Papier ab. Als er all die Namen auf der Rückseite gelesen hat, ballt er als Dank die Faust.
    » Sag mal, was hast du in dieser Zigarette? «, frage ich.
    Er explodiert fast vor Lachen. Mit einer Kopfbewegung deutet er hinter mich. Ich drehe mich um.
    Ein Mädchen, höchstens vierzehn oder fünfzehn, kommt aus dem Schlafzimmer geschlurft. Mein erster Eindruck ist, dass sie nach ihrem Kuscheltier sucht. Sie hat ein hübsches, geschminktes Gesichtchen, umrahmt von mittellangen, rabenschwarzen Haaren und trägt ein knappes, schwarzes Höschen und eines von Rogers Hemden. Um beide Handgelenke winden sich geflochtene Lederriemen, und einen Oberarm ziert eine Tätowierung, die an eine Rune oder ein okkultes Symbol erinnert.
    » Nicole «, sagt Roger.
    Nicole sieht mich ausdruckslos an.
    » Bjørn «, erklärt er, » der Typ, von dem ich dir erzählt habe. «
    Sie lässt sich aufs Sofa fallen, legt ein Bein auf den Tisch, zieht das andere unter sich und beginnt, sich eine Zigarette zu drehen. Ich weiß nicht recht, wo ich hinsehen soll. Sie hat ihre Zehennägel schwarz lackiert. Ich entdecke eine weitere Tätowierung. An der Innenseite ihrer Schenkel. Eine Schlange, die sich nach oben windet.
    » Geil, ne? «, sagt Roger und stößt mir in die Seite. Ich verliere das Gleichgewicht und stürze fast. Mein Gesicht läuft rot an.
    Nicole streckt Roger die Zunge raus. Sie ist rot und spitz. Mit einem Piercing an der Zungenspitze. Sie zündet sich die Zigarette an. Die Art, wie sie den Rauch durch die Nase ausstößt, gibt ihr etwas Hartes. Als wäre sie eigentlich fünfzig Jahre alt und hätte vierzig davon in einem Puff in Tanger verbracht. Ihre Augen verhaken sich in den meinen, als ich sie ansehe. Ich kann einfach nicht wegschauen. Obgleich ich es versuche. Ihr Blick ist eisblau und viel älter als ihr Körper. Er dringt in

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