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Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Titel: Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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nichts entstehen kann.
    Solche Paradigmen sind in der Ökonomie überaus beliebt, sofern Automaten existieren, die zeigen, wie sie funktionieren: Nach der Entdeckung der Elektrizität übernimmt der elektrische Strom die Funktion des Blutes, später die quantenphysikalischen Austauschprozesse der atomaren Struktur.
    Man muss sich vor Augen halten, dass der Begriff der »Ökonomie«, so wie wir ihn heute verstehen, damals im 18. Jahrhundert nicht existierte. Wer von »Ökonomie« sprach, sprach von einem Teilgebiet der Medizin, von »tierischer Ökonomie« (»animal economy«). Diderots Enzyklopädie beispielsweise definiert sie als ein System, das den »Mechanismus, die Gesamtheit der Funktionen und Bewegungen, die das Leben der Tiere erhält«, umfasst. Und wir wissen heute, dass die physikalischen und mechanistischen Grundlagen der Ökonomie hier ihren Ursprung hatten.
    Adam Smith stand in engem Kontakt mit den Franzosen, empfing dort seine Idee für den »Kreislauf« aller Wirtschaft und die »unsichtbare Hand«, die die Märkte reguliert. Und eine ganze Bibliothek von Büchern hat mittlerweile gezeigt, dass die Ehe zwischen Ökonomie und Physik, damals gestiftet von Uhrmachern, Ingenieuren und Ärzten, vielleicht die folgenreichste und dramatischste Verbindung der nächsten Jahrhunderte werden sollte. Sie ist es, die uns heute mehr beschäftigt denn je.
    Eine Ehe, die nicht im Himmel geschlossen wurde, sondern in den mechanischen Uhrwerken des industrialisierten Menschen.
    Die Ökonomie ist von Anbeginn selbst ein Automat gewesen. »Physik und Ökonomie«, so hat die Wissenschaftsphiloso phin Nancy Cartwright geschrieben, »sind beides Disziplinen mit imperialistischen Tendenzen: Immer wieder behaupten sie, alles erklären zu können, die eine in der natürlichen Welt, die andere in der sozialen.« Wo sie sich aber verbündeten, schuf die Physik (Unterabteilung Mechanik) im 18. Jahrhundert die Matrix, die die Ökonomie über die Gesellschaft legte. Die Ökonomie, nicht die Philosophie und erst recht nicht die abstrakte »Aufklärung«, setzte Technologie in soziale Organisation um.
    Wenn heute Kritik an technologischen Innovationen mit »Ma schinenstürmerei« abgetan wird, ist das von atemberaubender Naivität. Kritik an Technologien ist immer eine an den sozialen und kognitiven Zwängen, die sie produzieren, indem sie von der Ökonomie als Erklärungsmodell gebraucht und missbraucht werden. »Der Mensch«, hatte La Mettrie geschrieben, »ist eine Maschine, die ihr eigenes Uhrwerk aufzieht.« 117
    Die mit Schlüsseln und Kurbeln aufgezogenen Jahrmarkts attraktionen standen am Beginn dessen, was wir heute »technischen Determinismus« nennen: Die Maschine bestimmt unsere Zukunft. In den Worten des Literaturwissenschaftlers Hugh Kenner: »Wenn ein Mensch sein Leben lang nur Fäden spinnt, wie soll dann eine fadenspinnende Maschine etwas anderes sein als ein Mensch in reinerer Form?« 118
    Es ging im 18. Jahrhundert eben nicht nur darum, Automaten zu erfinden. Es ging darum, einen Menschen für die Maschinen zu erfinden.
    Und tatsächlich war es Vaucanson, der Vater von Ente und Tänzer, der bald darauf unter dem Protest der Handwerker in den Manufakturen den ersten vollautomatischen Webstuhl konstruierte und dabei einen Satz sagte, der über 250 Jahre hinweg zu uns herüberschallt: Dieser Automat sei ein Instrument, mit »dem ein Pferd, ein Ochse oder ein Hintern Kleider herstellen können, die schöner und vollkommener sind, als die besten aller Seidenweber es je zu tun vermöchten … Jede Maschine produziert jeden Tag so viel, wie die besten Arbeiter, wenn sie nicht Zeit vertrödeln«. 119
    In Frankreich neigte sich die Mode der Spielzeuge ihrem Ende zu. Die Automaten hatten Soldaten und Untertanen produziert, als Nächstes ging es darum, Konsumenten und Märkte zu produzieren.
    Vorerst aber machte ein Aufruhr der Handwerker in Lyon – Vaucanson musste nach seinen Verlautbarungen über den ersetzbaren Arbeiter als Mönch verkleidet aus der Stadt fliehen – klar, dass man den Menschen erst noch beibringen musste, den Maschinencode auch dann anzuerkennen, wenn die Maschine nicht aussah wie ein Mensch oder ein Tier.
    Doch jetzt begann man sich in England für die Spielzeug-Automaten zu interessieren. Es waren ausgerechnet die Venture-Kapitalisten, die James Watt die Entwicklung der Dampfmaschine finanzierten, die auch einem Mann mit dem bezeichnenden Namen Merlin mit einer beträchtlichen Summe unterstützten.

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