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Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Titel: Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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sich aufhängen, müssen sie immer mehr Informationen sammeln. Das hat an den Börsen begonnen; aber es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass überall dort, wo Nummer 2 menschliche Transaktionen bewertet und einpreist, die Informationssammelwut zu einem System sich selbst verstärkender Rückkoppelungseffekte führen wird.
    Nummer 2 brauchte den Computer nicht, denn er ist selbst ein Automat. Man braucht nur die Matrix der Spieltheorie, eine Tabelle, in der man alle denkbaren Spielzüge und ihre Risiken einträgt, und ein paar Formeln. Aber die Technik erleichtert ihm seine Existenz.
    Nummer 2 lebt in diesen Systemen ein rundum versorgtes Leben. Mittlerweile kann er die Berichte über die letzte Pressekonferenz eines DAX-Unternehmens, die Ergebnisse der letzten Champions-League-Runde oder die Nachrichten über Proteste von Flughafengegnern selbst lesen. Nachrichtenagenturen wie Reuters und Dow Jones bieten ihm ihre Texte in maschinenlesbarer Sprache an. Doch längst kommuniziert er auch mit Twitter und Google, Facebook und YouTube, um die »Stimmung ganzer Bevölkerungen zu berechnen«. 159
    Die meisten digitalen Kopien von Nummer 2 sind heute noch immer von brutaler Schlichtheit ( » zero intelligence«), und wir alle arbeiten mit ihnen. Sie sollen herausfinden, wo es das billigste Ticket und das günstigste Restaurant gibt, und viele von ihnen verhandeln noch nicht einmal mit den verschiedenen Anbietern, sondern vergleichen nur Preise. Andere evaluieren geistige Arbeit, etwa in den großen Datenbanken von Thomson Reuters, die mittlerweile über Parameter wie Zitierhäufigkeit in »wichtigen« Journalen die Bedeutung wissenschaftlicher Arbeit festlegen – bis hin zu der Evaluierung ganzer Universitäten, die hauptsächlich aus der Indizierung eines einzigen kommerziellen Anbieters besteht.
    Die interessanteren Agenten aber, vor allem die, die in Finanz märkten zum Einsatz kommen, sind evolutionär programmiert, sie lernen und verändern ihr Verhalten, und in ihrer Gesamtheit sind sie eine Variation des großen selbstsüchtigen Lebensthemas von Mr. Hyde.
    Es ist heute, Stand 2013, selbst für die Wirtschaftsinformatiker unmöglich vorherzusagen, wie sich bestimmte, in den Märk ten agierende und evolutionär operierende ökonomische Agenten entwickeln werden. Das, was Nummer 2, wenn er lernfähig ist, in der ersten Generation erfolgreich macht, wird von der zweiten Generation übernommen und optimiert, ohne dass irgendein Mensch darauf noch Einfluss hätte.
    So sind tatsächlich annähernd biologische Organismen entstanden. Wie echte Lebewesen sind sie Umwelteinflüssen (dem Markt) ausgesetzt, und wie bei echten Lebewesen führt dieser Druck nicht nur zur Selektion immer besserer Egoisten, sondern auch zu Mutationen.
    Man muss es sich so vorstellen: In den Systemen tauchen nicht nur immer besser trainierte Agenten als hocheffiziente Ego-Kampfmaschinen auf, sondern gleichsam auch als Kälber mit zwei Köpfen oder Menschen mit sieben Fingern, als das, was Charles Darwin »Monster« genannt hätte. Und es ist bizarr und zugleich erhellend zu sehen, wie der Streit über die Ursachen instabiler automatisierter Finanzmärkte innerhalb der Branche genauso geführt wird, wie ihn Darwin im 19. Jahrhundert führte, als man ihm die Existenz solcher Erscheinungen als Gegenbeweis der Evolutiontheorie vorgehalten hatte.
    So auch jetzt: Die einen sagen, Nummer 2 sei zum Monster geworden, weil Monstersein immer schon in ihm angelegt war, weshalb man etwas unternehmen müsse; die anderen glauben, Nummer 2 sei zu etwas anderem mutiert, eine zufällige Variation, die nicht »systemisch«, also nicht vererbbar, sei.
    Darwin selbst hätte ihnen allen freilich sagen können, dass es einen Unterschied gibt zwischen Geschöpfen, die gezüchtet werden, und solchen, die die Natur hervorbringt. »Manche Rassen unter den Haustieren … haben oft einen monströsen Charakter«, schrieb er, und seine Erklärung, wieso die Natur so etwas zulasse, ist für unser Thema höchst relevant. Das Unglück sei, so Darwin, dass die freak animals »vom Menschen nur zu seinem eigenen Nutzen selektiert werden; von der Natur nur für das Lebewesen, das sie fördern will«. 160
    Die Frage, was Nummer 2 in Gestalt seiner Algorithmen in den Finanzmärkten wirklich tut, kann im Augenblick niemand mehr beantworten. Manche vermuten, dass er lernt. Aber was? Und mit welchen Schlussfolgerungen?
    Die Gesprächspartner, mit denen ich bei den

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