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Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Titel: Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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Ego-Maschinen zu bauen als Ihr es je sein könnt. Es gibt etwas Besseres als den Menschen, wenn man Geschäfte machen will. Man muss den Menschen nur dazu bringen, den automatisierten Agenten mit Legitimation und Autorität auszustatten. Der Agent ist nicht nur codierte Software, sondern codierte Ideologie.
    Nummer 2 arbeitet in digitalen Umgebungen wie ein Unternehmen, das Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit steigern will. Seinen Erfolg schmälern kann nur der Mensch. Deshalb muss man Nummer 2 von den Fesseln befreien. Die »unsichtbare Hand des Marktes« wird die Hand von Nummer 2. Nicht nur der Erfolg von Börsen, der Erfolg aller Marktplätze – vom Heiratsmarkt bis zum »Markt der Ideen« –, so lautete 1999 Vulkans Prophezeiung, »ist von der Performance egoistischer Agenten abhängig, deren Verhalten von niemandem mehr kontrolliert werden kann«. 150
    Wir haben bekommen, was Vulkan voraussagte. Nicht nur ein Modell für den Menschen, sondern unzählige egoistische (oft strohdumme) digitale Agenten, die sich auf digitalen Plattformen wie Einzeller verbreiten. Man braucht nicht viel, um Nummer 2 zu programmieren. Eigennutz, Profitstreben und die Fähigkeit zu tricksen. Wer nach der Geburtsurkunde sucht, in der alle Bestandteile menschlichen Lebens zu Informationsmärkten wurden: In diesen Sätzen ist er fündig geworden.
    Es war der Traum der Galvanisten und die Befürchtung Mary Shelleys, wahr geworden im digitalen Zeitalter: Der Schalter, mit dem man seinen Computer und sein Handy anschaltet, entzündet den elektrischen Funken, der Nummer 2 zum Leben erweckt.
    Natürlich war sein Handlungsspielraum am Anfang so begrenzt wie der von Babys (Microsoft hatte ihn damals im Kindchenschema gezeichnet). Er lebte in einem Ställchen, man musste ihn mit seinen Absichten füttern, er machte Fehler und weckte Beschützerinstinkte.
    Nicht seine Intelligenz, aber sein Handlungsspielraum wuchs ständig. Als sich mächtige Ökonomien immer mehr selbst dematerialisierten und deindustrialisierten, je mehr die Realwirtschaft unter den Sirenenklängen der »Globalisierung« ihre Produktionsstätten in andere Teile der Welt verlagerte, je stärker sich in den mächtigsten Industrienationen eine Ökonomie der Finanzmärkte entwickelte, desto allgegenwärtiger wurde er. Das war nur logisch: De-Industrialisierung und der Aufstieg des Computers hatten die Grenzen zwischen Materie und Geist, zwischen Ding und Information immer mehr verschwinden lassen, und die Grenzen wurden durchlässig.
    Aber »De-Materialisierung«, das Schlüsselwort der »Wissens ökonomie«, funktioniert in beide Richtungen. Es entstehen ganze Industrien, deren Produkte purer Geist sind – Googles Suchalgorithmus oder Apples Software –, und umgekehrt wird der Geist zur Industrie.
    Nun konnte Nummer 2 wie das »bucklicht Männlein« in jedermanns Küchel, jeden Speicher, Keller eindringen und auf dem ersten Höhepunkt seines Triumphes sogar in Gebete eingeschlossen werden, wie eine legendäre »Time«-Titelstory belegte. Er ging ein in jedes Menschen Hirn und Haus, und sein Medium war Elektrizität, die Menschen und Märkte miteinander vernetzte.
    Er wuchs allen über den Kopf. Und schließlich, im Mai 2010, sah eine verblüffte Welt zum ersten Mal bewusst, was geschehen kann, wenn Nummer 2 die vollständige Kontrolle hat.

16 Blitz
    Die Ego-Maschinen funktionieren, wie es
im Lehrbuch steht – und beginnen Kriege
    E in Schachgroßmeister benötigt ungefähr 650 Millisekunden, um zu erkennen, dass er schachmatt gesetzt wurde. Ein normaler Mensch benötigt 1 000 Millisekunden, also eine Sekunde, um auf einen Gefahrenreiz physisch zu reagieren. Finanzmärkte benötigen im besten Fall so lange wie der Schachgroßmeister, um auf einen Börsencrash zu reagieren.
    Finanzmarkttransaktionen nähern sich mittlerweile der Licht geschwindigkeit an. Trader installieren ihre Server direkt neben den Computern der New Yorker Börse, um Millisekunden zu schinden. Ein eigens verlegtes transatlantisches Kabel wird die Übermittlungszeit von Daten zwischen der Wall Street und den Londoner Tradern auf 740 Nanosekunden reduzieren (1 Millisekunde sind einhunderttausend Nano-Sekunden). Übersetzt in unser normales Zeitgefühl, besteht der Unterschied darin, ob man eine Entscheidung in einer Minute oder in knapp 10 Wochen treffen muss. Die Falle schnappt millionenfach schneller zu, als irgendein menschliches Wesen auch nur imstande wäre zu begreifen, dass es in einer Falle

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