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Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Titel: Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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diesem Wirtschaftssystem ist unsere Fähigkeit, Reichtum zu schaffen, nicht mehr von physikalischen Grenzen beschränkt, sondern nur durch unsere Fähigkeit, neue Ideen zu entwickeln – in anderen Worten: Sie ist unbegrenzt.« 201
    Der Journalist Kevin Kelly, der ursprünglich ein Hippie war und aus der »Whole Earth«-Bewegung stammte, ehe er Chefredakteur von »Wired« wurde, prophezeite zum gleichen Zeitpunkt, dass die »gemachte Welt« durch die pure Kraft des »globalen Geistes« durchdrungen werde.
    Die Herrschaft des Geistes über die Materie ist keineswegs neu. Sie ist das Dogma der Werbeindustrie, die im Laufe eines Jahrhunderts die Manipulation der Seele immer weiter perfektio niert hatte. Nun wurde sie zum Geschäftsmodell nicht nur für Cyberpropheten, sondern auch für den Gebrauchtwagenhändler um die Ecke.
    Im einflussreichsten Buch der Ära »Neue Regeln für die New Economy« schrieb Kelly, dass die Prinzipien, die die Welt von Software, Medien und Dienstleistungen beherrschen, »bald die Welt der Hardware regieren werden – die Welt der Realität, der Atome, der Objekte, von Stahl und Öl, und der harten Arbeit im Schweiße des Angesichts«. 202
    Eine Ethik, die den Einzelnen verantwortlich für seinen Erfolg oder seine Niederlagen macht, hat es schon immer gegeben. Wer Erfolg hat, hat ihn, weil er, wie »The Secret« postuliert, diesen Erfolg angezogen hat. Gerade so wie einen Freund oder eine Freundin in einem sozialen Netzwerk.
    »Ein einziges Individuum mit einem Desktop-Computer«, so hatte Ronald Reagan gesagt, »kann mehr Ressourcen befehligen als irgendeine Regierung noch vor einigen Jahren.« Das hatten »The Secret« und ähnliche Traktate nur wörtlich genommen. Du kannst alles haben heißt: Dein Fahrrad, dein Kühlschrank, dein Fernseher, dein Arbeitsplatz und deine Seele sind kaputt und du wartest immer noch auf die Einladung ins Fernsehen, weil du selbst kaputt bist und erneuert werden musst.
    Im Jahre 2006, zwei Jahre vor der Lehman-Pleite, fasst das »Time Magazine« die Stimmung großer Erwartung in einer Titelgeschichte zusammen: »Will Gott, dass du reich bist?« Die Antwort war: Er will.
    Was es bedeutet, am göttlichen Willen zu zweifeln, musste im gleichen Jahr ein Mann namens Mike Gelband erfahren, der für die Immobilienabteilung bei Lehman verantwortlich war. In seinem Jahresgespräch sagt er unvermittelt und hoch alarmiert: »Wir müssen unser Geschäftsmodell überdenken« – und wurde gefeuert.

25 Alchemisten
    Verwandle deine Seele zu Gold,
denn Arbeit ist Arbeit an sich selbst
    A ll das hatte es so schon einmal gegeben: die Hoffnung auf eine neue Ökonomie unendlichen Reichtums durch nie versiegende Ressourcen, entropiefreie Energie. Und wiederum erlebt man, was man bei Galvani, Salvá und all den anderen erlebt hat: Immer schon gab es bei dieser Technologie, die alle Träume in sich vereinen soll, einen ersten Versuch, viel konkreter, realistisch wie zuckende Froschbeine und im Fall der spirituellen Ökonomie glänzend wie Gold.
    Was wir erleben, ist ein Replikat, der zweite Anlauf der modernen Gesellschaft, die Magie mithilfe der modernen Wissenschaft wiederzuerwecken.
    Der erste Versuch hatte allerdings katastrophale Folgen.
    Auch damals zu Beginn des 20. Jahrhunderts schien sich buchstäblich über Nacht die Tür in eine Welt des fantastischen Überflusses zu öffnen, in der es keine physischen Grenzen mehr zu geben schien. Ehrenwerte Mitglieder der Royal Society und Nobelpreisträger beugten sich plötzlich über die Traktate der Alchemisten, weil sie Hinweise darauf suchten, wie man aus Blei Gold und aus nichts Materie machen könne.
    Der Auslöser dafür lag in der jungen Atomphysik. In einem Labor an einer kanadischen Universität hatten der Chemiker Frederick Soddy und der Phyiker Ernest Rutherford 1901 entdeckt, dass ein radioaktives Element sich in ein anderes Element verwandeln konnte. Soddys Biograf beschreibt, wie der spätere Nobelpreisträger für Chemie den Moment der Entdeckung erlebt:
    »Ich war überwältigt von etwas, das mehr war als Freude – ich kann es nicht wirklich ausdrücken – eine Art Exaltation. ›Ruther ford, das ist Transmutation!‹, platzte es aus ihm heraus. ›Um Gottes willen, Soddy‹, rief sein Kollege wie aus der Pistole geschossen, ›nenn es nicht Transmutation. Sie werden uns als Alchemisten köpfen.‹« 203
    Was stattdessen geschah, hat Mark Morrison in seiner bestechenden Studie »Modern Alchemy« erzählt:

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