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Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Titel: Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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»Veraltung«, wörtlich: Obsoleszenz, war gemeint, dass ein Produkt kaputtging oder nicht mehr up to date war. London schlug vor, dass jedes Produkt nur einen begrenzten, staatlich verordneten Lebenszyklus haben dürfe. Danach wären »diese Dinge offiziell tot« und müssten entsorgt oder vernichtet werden. 217
    Und in bis heute nur bruchstückhaft bekannt gewordenen Verfahren begannen Ingenieure damit, ihren Produkten »Todes termine« einzuschreiben. »Death Dating« bestimmt – vom Spiel zeugauto über die Glühbirne bis zum Radio –, wie lang etwas hält. Auch dem Publizisten Giles Slade, der in einer Studie die Geschichte der »Obsoleszenz« in Amerika erzählte, ist es nicht gelungen, die hocheffizienten Verfahren dieser eingebauten To desuhren aufzudecken. Einige interne Memos von General Elec tric aus den Dreißigerjahren aber zeigen, dass offenbar jeder wusste, worum es ging.
    Kaputt gingen: Glühbirnen nach einer bestimmten Zeit (angeblich, weil dann die Lichtausbeute zu gering war), Röhren in Radios, elektronische Bestandteile, die so getimt waren, dass sie genau beim Batteriewechsel den Geist aufgaben. Entscheidend war, dass jetzt eine zweite Kontrollinstanz etabliert wurde.
    Die Werbepsychologen behaupteten, die Seele der Massen zu kontrollieren, die Unternehmer aber kontrollierten wirklich die Lebenszeit der Hardware, und zwar, wie die Psychologie bei Menschen, sobald sie vom Luxus- zum Massengut wurde.
    Im Jahre 1880 war eine Glühbirne Luxus. Sie kostete umgerechnet die Hälfte eines täglichen Arbeitslohns. Edisons erste Kunden waren J . P. Morgan und die Vanderbilts. Dann begann durch zunehmende Vernetzung der Haushalte und bessere Produktionsbedingungen die Phase ihrer industriellen Produktion.
    1924 trafen sich in Genf die Mitglieder des sogenannten Phoebus-Kartells, zu dem Osram, Philips und General Electric gehörten, und beschlossen gemeinsam, die Lebensdauer von Glühbirnen künstlich zu verkürzen. »Die Lebensdauer der 2330-Lampe«, heißt es in einem Memo, das Vance Packard zitiert, »ist von 300 auf 200 Stunden verkürzt worden … Wir werden das in keiner Weise öffentlich machen.« 218
    Erstmals hatten Ingenieure die »schöpferische Zerstörung« als Eigenschaft in die Objekte selbst eingebaut und damit nicht nur etwas Funktionierendes konstruiert, sondern auch etwas nicht Funktionierendes. Um welche Dimensionen es sich bei dem vorzeitigen Tod der Glühbirnen handeln konnte, ist mittlerweile Legende geworden: Im Jahre 1901 wurde in einer kleinen Feuerwehrstation in Livermore in Kalifornien eine Glühbirne angeschaltet. Einhundertelf Jahre später brennt sie noch immer. Auf der Website der Feuerwehr kann man sehen, wie viele Generationen an Feuerwehrhauptleuten die kleine, mittlerweile sehr schwach brennende Lampe überlebt hat.
    Der Wunsch der Industriegiganten, selbst zu entscheiden, wie lange etwas funktioniert, war sowohl eine technische als auch eine psychologische Operation. Sie verfielen auf Rezepte, die teilweise auch heute noch angewendet werden und bei einfachen Geräten nichts anderes als entsprechend einfache Algorithmen sind, die entweder das Material oder die Funktionalität betreffen. Manchmal genügte es auch, dass das Produkt in relativ schneller Zeit verschmutzt und unansehnlich war.
    Bei komplexen Produkten bestand die Technik darin, das schwächste Glied, »the weakest tie«, zu manipulieren, um so die Funktionalität des Ganzen zu sabotieren. Doch psychologisch war das Todesdatum nur eine Maßnahme, um Überfluss durch Überflüssigkeit zu produzieren, allerdings eine so wirkungsvolle, dass ein amerikanischer Kongressabgeordneter schon bald Mitleid mit den Millionen von Menschen äußerte, »deren Haushaltsgeräte auseinanderfallen«. 219
    Durch die öffentliche Debatte, die insbesondere durch Vance Packard nach dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst wurde, hat man das geplante Kaputtgehen vorsichtiger ins Werk gesetzt. Kaputtgehen als Prinzip des Überflüssigwerdens war nun ein dreistufiger, von Ingenieuren, Werbern und Designern gleichermaßen perfektionierter Vorgang. Die ganze Branche sprach so offen wie später nie wieder von den drei Optionen: geplantes Kaputtgehen durch Qualität; das Veralten durch Funktion, weil neue Geräte besser und schneller sind; und schließlich: das »psychische Kaputt gehen«, ein Produkt ist nicht mehr Gegenstand des Begehrens, sondern out of date und dadurch überflüssig. Hierzu gehörten alle Veränderungen des Designs und der

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