Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort
nicht in Adeles Gegenwart durchgeführt werden konnten. Zu schade eigentlich, denn Bailey hatte sie gern so oft wie möglich um sich. Sein erster Eindruck von ihr auf jener Party vor drei Jahren hatte sich als zutreffender erwiesen, als er jemals hatte hoffen können. Er wusste nicht, warum, aber immer wenn Adele die Teleportationsvorrichtung bediente, schien sie ein gutes Stück besser zu funktionieren. Vielleicht war der Mangel an wissenschaftlichen Vorkenntnissen auf einem so schillernden Gebiet wie dem der Teleportation ein Vorteil. Und sie arbeitete wirklich hart. Ihre einzige unangenehme Eigenart war, dass sie ihn ab und zu so lange unverwandt ansah, dass er glaubte, er habe etwas zwischen den Zähnen stecken. Wahrscheinlich war sie einfach gedankenverloren. Dass eine erkleckliche Anzahl Männer auf dem Campus für das Mädchen schwärmte, war ihm nicht entgangen. Loeser zum Beispiel hätte es kaum deutlicher zeigen können und Slate auch nicht. Bailey dagegen hatte sich nie für Sex interessiert, nicht einmal als junger Mann. Das meiste, was er darüber wusste, kam von Lukrez, bei dem es nicht besonders reizvoll klang: »Wenn sich Venus bereitet, das weibliche Feld zu besamen, pressen mit Gier sie die Brust an die Brust; es vermischt sich des Mundes Speichel, sie pressen den Zahn in die Lippen mit keuchendem Atem: Doch umsonst, sie können ja nichts dem Körper entreißen oder mit ihrem Leib sich ganz in den andern versenken, was sie wirklich bisweilen zu tun um die Wette bemüht sind; wieder versuchen sie endlich zum Ziele der Wünsche zu kommen: Doch da gibt es kein Mittel, die Krankheit wirklich zu heilen. Hilflos gehen sie so an der heimlichen Wunde zugrunde.« Warum um Himmels willen sollte man sich das antun?
Manchmal machte Bailey einen Spaziergang, wenn Adele fort war. Frische Luft hielt ihn wach. Doch zu seinem Missfallen traf er, als er diesmal aus den Obediah Laboratories trat, auf Rupert Rackenham, der immer noch unter der gleichen Zypresse stand. Der Engländer hatte eine Zigarette im Mund, und seine Umgebung war voller Zigarettenkippen, als hätte er sie auf einem Acker aussäen wollen.
»Herr Professor Bailey …«
»Waren Sie die ganze Zeit hier?«
»Ja. Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen so auf die Nerven fallen muss, aber unter uns, ich habe das Honorar für den Artikel bereits ausgegeben, also würden Sie mir wirklich einen unglaublich großen Gefallen tun, wenn Sie auch nur eine Minute für mich erübrigen und mit mir über Ihre Arbeit reden könnten.«
»Wenn Sie kein Freund von Adele wären, Mr Rackenham, würde ich den Wachmann in Throop Hall anrufen und Sie wegen Hausfriedensbruchs melden.«
»So darfst du den Gentleman nicht behandeln, Franklin. Du warst immer ein artiges Kind.«
Bailey drehte sich um, und da stand Lucy. Einen Augenblick lang glaubte er, sie wäre wieder eine dieser erschreckend lebensechten Erscheinungen aus seiner Erinnerung, die ihn schon den ganzen Tag bedrängten, nur dass Lucy in seiner Erinnerung nicht am Stock gegangen wäre und nicht diese fleckigen Hängebacken gehabt hätte, und sie hätte auch nicht antworten können, als Rackenham fragte: »Sind Sie mit Herrn Professor Bailey bekannt, Madame?«
»Seit seiner Geburt.«
»Ich kenne diese Frau nicht«, sagte Bailey.
»Franklin!«, sagte Lucy.
Rackenham zog die Augenbrauen hoch. »Ich möchte nicht unverschämt wirken, Herr Professor, aber sie kennt offenbar Ihren Namen.«
»Meinen Namen kann jeder in Erfahrung bringen.« Im vergangenen Jahr hatte das Außenministerium dabei helfen wollen, die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Campus zu verschärfen, zum Schutz der streng geheimen Forschung von Bailey und Clarendon und ihren Kollegen, aber Millikan hatte sich geweigert und gesagt, er wolle nicht, dass man sich im Institut wie in einer Kaserne fühle. Damals war Bailey erleichtert gewesen, aber jetzt merkte er, wie absurd es war, dass ihn, abgesehen von Mrs Stiles in Throop Hall, niemand vom Rest der Welt abschirmte. Bailey hatte immer sein Bestes gegeben, um die Teleportationsvorrichtung geheim zu halten, aber auf seiner langen Pilgerfahrt mit seinem Vater hatte er gelernt, dass Geheimnisse wie kinetische Energie einem ständigen Auflösungsprozess unterworfen waren – sodass etwas für immer geheim halten zu können, nicht nur so unwahrscheinlich war wie die Existenz einer Teleportationsvorrichtung, sondern unvorstellbar wie ein Perpetuum Mobile.
»Sind Sie schon den ganzen Abend über hier
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