Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort
Teleportationsforschung auf der Annahme basiert, dass man die physischen Koordinaten eines Partikels löschen und durch andere ersetzen kann. Nun, ich habe einmal zu meiner Assistentin Adele gesagt: ›Was ist die eine Sache auf der Welt, die fast alles entwurzeln kann?‹ Sie ist eine hervorragende Assistentin, aber manchmal neigt sie zur Gefühlsduselei, und ich konnte ihr an ihrer verkitschten Miene ansehen, dass sie an Liebe dachte oder etwas in der Art. Und im Kino wäre es auch so. Aber es ist nicht die Liebe. Liebe verändert überhaupt nichts. Liebe ist nur eine Art von kognitiver anthropischer Zweifelhaftigkeit. Es ist die Gewalt, die die Dinge entwurzelt. Sie werden das längst wissen, Herr Dr. Clarendon. Schließlich kann es ein Gespenst als Möglichkeit nur geben, wenn die physikalischen Gesetze des Universums lokal von einem gewaltsamen Tod erschüttert werden. Und es funktioniert. Leider nicht so, wie Sie es sich denken. So etwas wie Gespenster gibt es nicht. Niemand wird je ein funktionierendes Phasmatometer bauen. Ihre ganze Forschungsarbeit war umsonst. Wenn Sie ein besserer Physiker wären, hätten Sie vielleicht nicht all die Jahre verschwendet.«
Clarendon sah verdattert aus. »Aber, Herr Professor Bailey, ich hatte immer geglaubt …«
»Der richtige Zeitpunkt, es Ihnen zu sagen, war noch nicht gekommen. Wenn Sie Ihre Forschung eingestellt hätten, wäre ich der Einzige gewesen, den das Außenministerium hätte quälen können, und das war mir nicht recht. Also, Lavicini verstand mehr von Physik als Lukrez. Aber genau wie Lovecraft näherte er sich der Wahrheit mit anderen Mitteln. Das war in Paris zur Zeit des Wunderhofs. Und Lavicini war von Natur aus Empiriker, kein Künstler. Er hatte als Erfinder im Arsenal von Venedig gearbeitet. Das Theater war nur ein Zeitvertreib. Er wollte eine echte Teleportationsvorrichtung bauen, genau wie ich. Und es gelang ihm. Wussten Sie, dass man Lavicini im Jahr 1684, fünf Jahre nachdem er angeblich beim Teleportationsunfall ums Leben gekommen war, daheim in Venedig gesehen haben will?« Inzwischen hatten sie die Versorgungstreppe erklommen. Clarendon folgte Bailey hinaus aufs Dach, an dessen Kante noch immer der Ford Modell T geparkt war. Vor ihnen lagen sämtliche Gebäude des Caltech verstreut wie die sorgfältig auf Clarendons Werkbank ausgebreiteten Einzelteile des Phasmatometers.
»Was machen wir hier oben?«, sagte Clarendon.
Bailey öffnete die Fahrertür des Autos. »Steigen Sie ein«, sagte er.
»Warum?«
»Steigen Sie ein. Sie werden schon sehen.«
Clarendon tat, wie ihm geheißen. Bailey schloss die Tür hinter ihm, dann ging er um das Auto herum und setzte sich auf den Beifahrersitz.
»Beeil dich und mach die Tür zu«, sagte sein Vater.
Der Regen auf dem Autodach war so laut, dass Bailey schreien musste, damit sein Vater ihn hören konnte. »Ich wusste gar nicht, dass es in Kalifornien solche Unwetter gibt.«
»Tornados gibt es hier manchmal auch, mein Sohn. Hagel. Schlammlawinen. Das ist nicht immer alles eitel Sonnenschein.«
Der Regen war mit einem Mal losgebrochen, als wäre plötzlich ein Teil vom Mauerwerk des Himmels eingestürzt, und sie waren im Freien überrascht worden und hatten nur unter ein paar viel zu kleinen Bäumen in der Nähe Schutz suchen können. Dann hatte sein Vater etwas weiter oben am Hang den Ford Modell T entdeckt, und sie hatten die Fahrräder hingeworfen und waren hingelaufen, in der Hoffnung, dass er nicht abgeschlossen war.
»Was, wenn der Besitzer wiederkommt?«, fragte Bailey. Vor seinen Füßen lag eine zusammengefaltete Straßenkarte von Südkalifornien, und zu seiner Schande sah er, dass das Wasser, das von ihm abtropfte, sie schon ganz durchgeweicht hatte. Er konnte riechen, dass manchmal ein großer Hund in diesem Auto mitfuhr.
»Der kommt nicht. Bei diesem Regen kann man nicht Auto fahren.«
»Kannst du dich noch an den Modell T erinnern, den wir damals auf dem Dach von diesem Haus in South Carolina gesehen haben? Wie hieß der Ort noch gleich?«
»Scarborough. Ja, das weiß ich noch.«
Er konnte es in der Nähe donnern hören. »Was machen wir jetzt, Dad?«
An jenem Vormittag, unter einem dieser glasklaren Märzhimmel, verschmiert von ein paar grauen Regenwolken wie Ruß an der Innenseite einer durchgebrannten Glühbirne, waren sie endlich in Tiny Lustre eingetroffen. Fünf Jahre hatte ihre Reise auf dem Fahrrad von Boston nach Kalifornien gedauert; fünf Jahre Kehrtwenden, Haken schlagen,
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