Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort
gewesen, Madame?«, fragte Rackenham.
»Ja«, sagte Lucy. »Man hat mir gesagt, er wolle mich nicht empfangen. Also habe ich gewartet. Genau wie Sie. Ich habe Sie auch beim Warten beobachtet.«
»Sie müssen hungrig sein. Ich bin es jedenfalls. Vielleicht erlauben Sie mir, dass ich Sie irgendwo in der Nähe zu einem Happen einlade? Keine Sorge«, fügte Rackenham mit einem Lächeln hinzu, »ganz ohne niedere Absichten. Aber wir könnten uns ein wenig über den ungehorsamen Herrn Professor unterhalten!«
»Dazu haben Sie kein Recht!«, sagte Bailey.
»Ach nein?«, sagte Rackenham.
Das Letzte, was Bailey tun wollte, war, Lucy zu sich ins Labor zu bitten, aber wenn er sie von Rackenham loseisen wollte, hatte er keine andere Wahl. »Komm herein, Lucy.«
»Ich dachte, Sie kennen sie nicht«, sagte Rackenham.
»Komm herein«, wiederholte Bailey. Er packte sie am Arm und zerrte sie fast schneller in die Obediah Laboratories, als sie am Stock gehen konnte. Dann schloss er hinter ihnen ab. Sie sprachen beide kein Wort, bevor sie in Raum 11 waren, und dann sagte Bailey: »Wie hast du mich gefunden?«
»Meine Enkelin, sie wohnt in Pasadena«, sagte Lucy, ein wenig außer Atem. »Letztes Jahr nach meiner Pensionierung bin ich zu ihr gezogen. Eines Tages habe ich dich auf der Straße gesehen. Ich wusste, dass du es bist. Ich weiß nicht, woher – das ist mindestens dreißig Jahre her –, aber ich wusste, dass du es bist. Mein kleiner Franklin. Aber ich wollte dich nicht gleich ansprechen. Ich war zu ängstlich. Also habe ich mich in ein Taxi gesetzt und bin dir gefolgt. Habe herausgefunden, dass du am Institut bist. Habe herausgefunden, dass du dich jetzt Bailey nennst.«
»Ich heiße Franklin Bailey und habe immer so geheißen.«
»Was hat dein Daddy dir über deine Mama erzählt, Franklin? Ich habe mich schon immer gefragt, was er dir erzählt hat. Du weißt doch noch, dass sie gerade den Zank mit deiner Grandma um deine Konfirmation hatte, als sie von uns ging. Hat er dir erzählt, deine Grandma und dein Grandpa hätten ihr etwas angetan? Hat er dir erzählt, er habe dich fortbringen müssen, damit sie dir nicht auch etwas antun?«
Das Schloss an der Tür zur Kapelle. Die Schnitzereien am Altar, wie Abflussrinnen auf einem Operationstisch. Der fast zu blank geputzte Kelch für das Abendmahl. »Du bist eine senile alte Frau.«
»Das hat er, oder? Willst du wissen, was deiner Mutter wirklich zugestoßen ist, Franklin?«
»Niemand weiß, was geschehen ist. Sie ist verschwunden, und man hat sie nie gefunden.«
»Man hat sie gefunden, Kind. Als dein Vater dich mitgenommen hat, war sie noch nicht gefunden worden. Er hat nur einen Tag gewartet. Danach hat man sie sehr wohl gefunden. Aber du warst schon fort, deshalb hast du es nie erfahren.«
»Bitte, Schluss mit dem Gewäsch.« Sie wollte ihm weismachen, dass sein Vater seine Mutter umgebracht hatte. Sie wollte ihm weismachen, dass sein Vater weggelaufen war, weil man ihn sonst geschnappt hätte. Sie wollte ihm weismachen, dass sein Vater und er vor der Polizei geflohen waren und nicht vor den Agenten der Familie Phenscot und der katholischen Kirche. Sie war eine Lügnerin. Er wusste es. Er wusste es. Er wusste es nicht. Er hatte es nie gewusst. Er dachte an Lukrez. »Denn die nämlichen Leute, sobald sie verbannt aus der Heimat, aus der Gesellschaft gestoßen, mit schimpflichem Makel behaftet und von jeglichem Kummer bedrückt sind, leben doch weiter, schlachten, wohin sie auch immer im Elend gelangen, den Ahnen schwärzliche Schafe zum Opfer und senden den seligen Toten Weihegüsse ins Grab.«
Lucy lächelte traurig. »Deine Mutter ist in einen Fahrstuhlschacht gestürzt, Franklin.«
»Wie bitte?«
»Sie war in einem Hotel und hatte ihre Brille nicht auf, und das Gatter öffnete sich, obwohl es das nicht hätte tun sollen, und sie hat einfach einen Schritt in den Fahrstuhlschacht gemacht. Sie hat sich den hübschen Hals gebrochen. Sie haben sie da unten erst nach eineinhalb Tagen gefunden. Dein Daddy hat einfach voreilige Schlüsse gezogen.«
»Betest du noch immer zu den Göttern der Toten, Lucy?«, fragte Bailey.
»Hörst du mir auch zu, mein Kind?«
»Betest du noch immer zu den Göttern der Toten? Den Göttern, von denen die Priester deinen Großeltern erzählt haben, auf der Insel, wo deine Leute herkamen?«
»Ich bin jetzt eine gute Katholikin, Franklin.«
»Wie schade«, sagte Bailey. »Deine Großeltern haben sich geirrt – es gibt keine Götter
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