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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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musste, eine Häresie an ihrer Liebe, eine unzulässige Entartung. Sie konnte nicht wissen, wie viel niedriger seine Gefühle im Vergleich zu den ihren waren. Und es war im Grunde unausweichlich, dass sie bald erwogen, zusammen nach Paris zu gehen.
    (»Sind wir noch immer beim Prolog?«, fragte Loeser. Scramsfield ignorierte ihn.)
    All ihre Helden lebten in Paris. Dort gab es Kunst und Wahrheit und Liebe. Sie konnten dorthin ziehen und heiraten und arm sein und glücklich. Scramsfield konnte einen Roman schreiben, und Phoebe konnte malen, und was immer sie taten, würde so viel besser und wahrhaftiger sein als alles, was sie in Amerika je tun konnten, Amerika, das nun nichts anderes mehr war als eine Kurzwarenfirma, die sich als Nation aufspielte. Sie waren sich ihrer Sache so sicher.
    Er wusste nicht mehr, wann er zum ersten Mal vorgeschlagen hatte, dass sie sich umbringen sollten, wenn sie nicht nach Paris ziehen konnten. Er musste betrunken gewesen sein. Vielleicht hatte er es sogar als Witz gemeint. Aber dann wurde es nahezu ohne Diskussion zu ihrer gemeinsamen Lebensdoktrin: dass es besser sei, über der Flamme ihrer Liebe in Rauch aufzugehen, als für immer im schrecklichen Boston mit seinen schrecklichen Familien eingesperrt zu sein, für schreckliche Firmen zu arbeiten und schreckliche Kinder zu bekommen.
    Aber als sie einander all das geschworen hatten, da hatte es sich ganz abstrakt angefühlt, denn sie glaubten noch immer fest daran, dass sie es nach Paris schaffen konnten. Die anderen schafften es ja auch. Aber im Lauf des Jahres 1928 drückten die Geldsorgen sie mehr und mehr. Sie wussten, wenn sie zusammen fortliefen, würden ihre Eltern ihnen sofort den Geldhahn abdrehen. Waren sie erst einmal drüben, würden sie die Miete schon irgendwie zusammenkratzen – einem braven Bohemien kam das Geld in unregelmäßigen Abständen einfach ins Haus spaziert wie eine einohrige Tigerkatze, wenn man es nicht verjagte, indem man sich zu viele Sorgen machte, sodass sie in ihren biegsamen Fantasien mal auf ganz romantische und inspirierende Weise hungerten und mal eine Köchin hatten – aber wie die Dinge standen, konnten sie sich nicht einmal die Fahrkarten für den Dampfer leisten. Scramsfield erwog, ein paar Antiquitäten aus dem Haus seiner Eltern zu stehlen und zu verkaufen (an wen?), aber Phoebe wollte nicht, dass er das Risiko einging, denn wenn man ihn schnappte und er ins Gefängnis musste, wären sie auf Jahre voneinander getrennt. Wenn er heute in Boston wäre und 270 Dollar bräuchte, dachte Scramsfield oft, könnte er sich als Schwarzer schminken, sich Fußeisen anlegen und eine Reklametafel mit der Aufschrift » GEBEN SIE DIESEM MANN AUF KEINEN FALL GELD« umhängen, und es gäbe wahrscheinlich immer noch ein Dutzend Wege, das Geld aufzutreiben. Aber damals verstand er von den Wegen des Geldes so viel wie von der Funktionsweise des elektrischen Lichts.
    Phoebe und Scramsfield waren sich einig gewesen, dass sie niemandem von ihren Plänen erzählen durften, nicht einmal ihren Freunden. Aber am Ende, als sie mit allem anderen gescheitert waren, entschieden sie, es sei doch besser, wenn Scramsfield mit seinem Onkel Roger spräche. Von seinen Vettern hatte Scramsfield Gerüchte gehört, vor zwanzig Jahren habe es irgendeinen epochalen Skandal um Onkel Roger, eine Tochter des Hauses Cushing, eine Woche des Verschwindens und ein billiges Hotel in New York gegeben. Onkel Roger war heute ein Junggeselle, der ungefähr hundert Stunden die Woche Golf spielte, aber diese Geschichte reichte noch immer aus, sich vorzustellen, dass er einst zumindest einen Hauch von Leidenschaft im Herzen getragen hatte und vielleicht verstehen würde, warum es für Phoebe und Scramsfield so wichtig war, sich gemeinsam in jene Stadt davonzumachen, in der sie von ihrer gemeinsamen Zukunft ungeduldig erwartet wurden.
    In Onkel Rogers Salon war es, dass Scramsfield, ein ungewohntes Glas Bourbon in der Hand, zum ersten Mal merkte, dass er eigentlich gar nicht unbedingt nach Paris wollte. Er hasste Ausländer, er liebte die sanitären Einrichtungen Amerikas und war sich ziemlich sicher, dass das Romanschreiben keine gute Einnahmequelle darstellte, selbst wenn man eine gute Idee hatte, wie sie ihm nicht beschieden war. Und außerdem würde er dort drüben diesen ganzen Menschen, von denen er dauernd behauptete, sie zu kennen, jede Menge Drinks ausgeben und noch dankbar für jede Gelegenheit dazu sein müssen. Natürlich wollte er auf

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