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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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erschoss Phoebe sich.
    Scramsfield dröhnten die Ohren, er ließ die Derringer von der Schläfe sinken, sicherte sie und schob sie in die Tasche. Dann stand er auf, verließ das Zimmer, eilte die Treppe hinab zur Haustür und war aus dem Haus, noch bevor die Bediensteten ihr Kartenspiel unterbrochen hatten, um nachzusehen, woher der Lärm gekommen war. Zu Hause angekommen, blickte er in den Spiegel und fand keinen einzigen Blutspritzer an sich. An jenem Abend schenkte seine Mutter ihm, nachdem sie einen Anruf entgegengenommen hatte, einen Gin Tonic ein und erzählte ihm dann, Phoebe Kuttle sei bei einem Unfall mit einer der Waffen ihres Vaters ums Leben gekommen. Scramsfield brach in Tränen aus.
    Nie fürchtete er, in Schwierigkeiten zu geraten. Niemand dachte daran, ihn nach seiner ausgedachten Vogelbeobachtungsexpedition mit Rex Phenscot zu fragen (obwohl jemand erwähnte, die Familie Phenscot habe vor zwanzig Jahren selbst eine schöne Tochter verloren), und soweit er wusste, fiel niemandem das Verschwinden der Derringer auf, die er eines Nachts in den Charles River warf. Ein Gerichtsmediziner untersuchte Phoebes Tod, der Form halber, schloss aber zutreffend, sie könne sich die Schusswunde nur selbst zugefügt haben. Doch weil sie keinen Abschiedsbrief hinterlassen hatte – sie hatten Abschiedsbriefe für egoistisch und prätentiös befunden –, kam ein Polizeibeamter und sprach mit einigen ihrer Freunde. Im Salon seiner Familie wurde er befragt, wie lange er Phoebes Verehrer gewesen sei, und die Standuhr tickte wie ein Knochenmeißel dazu. Dann sagte der Polizeibeamte: »Dem Gerichtsmediziner zufolge hat sich Miss Kuttle kurz vor ihrem Tode offenbar an einer Art … ungehörigen Austausches beteiligt.« So drückte er es aus. Er hatte einen irischen Akzent. »Wissen Sie vielleicht etwas darüber?«
    Scramsfield schüttelte den Kopf. »Das ist eine bestürzende Nachricht«, sagte er feierlich und ließ bewusst offen, ob er überhaupt verstanden hatte, was der Beamte meinte, oder nur so tat. »Es könnte jedoch ein Indiz sein. Vielleicht sollten Sie Mr und Mrs Kuttle danach befragen?« Der Beamte nickte, obwohl sie beide sehr gut wussten, dass ein Gespräch dieser Art niemals stattfinden würde.
    Bei der Totenwache nahm Onkel Roger Scramsfield beiseite. »Hör mal, Herbert. Ich merke langsam, dass ich bei unserem Gespräch neulich vielleicht ein bisschen zu streng mit dir gewesen bin. Ich glaube, was ein junger Mann nach so einem Schock braucht, ist eine lange, schöne Reise. Ich habe mit deinen Eltern gesprochen und sie sind ganz meiner Meinung. Du kannst das Geld haben, wenn du es noch willst. Hin- und Rückfahrt und alles, was du für Hotels und so weiter brauchst.« Scramsfield glaubte nicht, dass Onkel Roger bewusst war, wie sehr sein früheres Nein zu Phoebes Tod beigetragen hatte – er hatte einfach Schuldgefühle wegen seines lieblosen Umgangs mit einem Verwandten, der jetzt in Trauer war. An jenem Abend träumte Scramsfield, er küsse Phoebe in einem Hutgeschäft und stehle ihr dabei mit der Zunge eine Münze aus dem Mund. Jemand hatte sie dort hingesteckt, damit sie ihre Überfahrt bezahlen konnte, aber er brauchte sie für seine eigene.
    Die »Melchior« war vollgepackt mit jungen Männern und jungen Paaren, und in seinen Augen schienen sie alle für die Rollen der Phoebe und des Scramsfield in einer albernen provinziellen Musical-Inszenierung ihres gemeinsamen Lebensplanes vorzusprechen. Sie waren hässlich und verlogen und plapperten so viel von all den Dingen, die Phoebe geliebt hatte, dass Scramsfield sie schnell hassen lernte; sie sagten Worte wie »Kunst« und »Liebe« und »Wahrheit« und »arm« und »glücklich« und »frei« und »echt« und »gut« – Worte, an die sie zu glauben gelernt hatten, ohne zu wissen, was sie bedeuteten – auf eine Art, die Scramsfield zu der Erkenntnis verhalf, dass sie überhaupt nichts bedeuteten, dass ernste Ein- und Zweisilber nichts mit dem Leben zu tun hatten. Die älteren Paare waren die schlimmsten, weil sie leicht in den Jahren 1922 oder 1923 nach Paris hätten gehen können, als es noch neu gewesen war, ihnen aber dazu die Vorstellungskraft gefehlt hatte, bis alle anderen schon dort gewesen waren. Alle lasen sie Fiesta wie eine Gebrauchsanleitung, und natürlich werkelten sie alle selbst an Romanen. Scramsfield blieb für sich, bis er einem Mädchen aus New York begegnete, das begeistert war, als er erzählte, dass seine Verlobte sich erschossen

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