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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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hatte, weil sie nicht mitkommen konnte. Eines Abends waren sie beide betrunken in ihrer Kabine, und sie bat ihn, mit ihr zu schlafen. Aber kaum hatte sie sich aufs Bett gelegt, dachte er daran, wie Phoebe auf dem Fußboden gelegen hatte, und seine Erektion war dahin. Sie brauchte zwei Tage, dann hatte sie einen anderen, der ihr erzählte, seine Freundin sei tot. Danach sah er keinen Sinn mehr darin, zuzugeben, dass Phoebe nicht mehr am Leben war.
    Paris war eine Prüfung. Er mochte sich mit keinem der Neuankömmlinge anfreunden, er wollte die echten Exilanten als Freunde, aber die waren schwer zu finden, und wenn er sie fand, wusste er nicht, wie er mit ihnen reden sollte. Er wusste, dass es einfacher gewesen wäre, wenn er die eine Hälfte eines attraktiven Pärchens gewesen wäre. Aus Langeweile brachte er das ganze Geld von Onkel Roger viel zu schnell durch. Im Herbst kam dann der Schwarze Dienstag. Wer sich interessant machen wollte, erzählte später, es sei gewesen, als wäre bei American Express in der Rue Scribe eine Bombe explodiert, aber in Wahrheit zeigte sich die Wirkung nicht sofort: Viele Firmen erhöhten die Ausschüttungen, »um das Vertrauen wiederherzustellen«, und im Sommer 1930 gab es mehr Amerikaner in Paris als jemals in den Zwanzigern. Aber bald schwanden die Ausschüttungen wieder dahin, und alle fuhren nach Hause – erst die Armen, dann die Reichen: Bankangestellte und Porträtmaler und Reporter für englischsprachige Zeitungen. Scramsfields Eltern schrieben ihm und baten ihn, auch nach Hause zu kommen. Aber er war noch kein ganzes Jahr hier und hatte sich die Stadt noch nicht erobert, wie es sich gehörte.
    »Also bin ich hiergeblieben«, sagte Scramsfield. »Das war vor fünf Jahren. Es gefällt mir hier nicht, aber ich gehe nicht, bevor ich diesen Roman nicht abgeschlossen und veröffentlicht habe. Phoebe würde es nicht anders wollen. Du findest doch nicht, dass ich heimfahren sollte, oder?«
    Aber von Loeser kam keine Antwort. Scramsfield blickte auf. Der Deutsche war auf seinem Stuhl eingeschlafen, die Finger umfassten noch den Hals der Champagnerflasche. Draußen auf der Straße sang eine Frau.
    Nach einer Weile schlief auch Scramsfield ein.
    Am Morgen darauf wurden sie beide dadurch geweckt, dass entschlossen an die Wohnungstür gehämmert wurde, mit etwas, das wie ein Grabstein, ein Schmucktresor, eine Napoleonbüste oder ein ähnliches Objekt von mittlerer Größe und beträchtlicher Masse klang, sich aber dann – nachdem Scramsfield sich mit einer Art gastropoder Wellenbewegung des Bettes enthoben, auf die Füße gestellt und widerwillig das Portal entriegelt hatte – als die zierliche behandschuhte Faust der Miss Margaret Norb entpuppte. Unmittelbar hinter ihr stand Elisalexa Norb, und in deren Armbeuge wand sich der kleine Mordechai. Die Tante sah wütend aus, und selbst der Leguan zog eine irgendwie übelnehmerische Grimasse.
    »Guten Morgen, Miss Norb; Ihnen ebenfalls, Miss Norb«, sagte Scramsfield. Da er sich umfassend übergeben hatte, war sein Kater nicht so gnadenlos, wie er hätte sein können, aber im Mund hatte er trotzdem einen Geschmack, als hätte er die ganze Nacht hindurch Zungenküsse mit Mordechai getauscht, und die Klamotten von gestern hatte ihm der böse Schneider Kotze verschiedenenorts an den Leib geklebt. »Wie komme ich zum Vergnügen dieses –«
    »Mister Scramsfield!«, unterbrach ihn Margaret Norb, wobei sie die erste Silbe der Höflichkeitsanrede schneidend betonte. »Ich muss Sie um eine Erklärung bitten.«
    »Äh, ja?«
    »Heute Vormittag haben wir darauf geachtet, vor der Mittagspause bei Shakespeare and Company zu sein. Bei unserem Besuch wurden wir von einem sehr liebenswürdigen Geistlichen aus Philadelphia in ein Gespräch verwickelt und brachten ihm gegenüber unsere Freude über die Aussicht zum Ausdruck, so vielen Ihrer berühmten ›Freunde‹ vorgestellt zu werden. Doch dieser Geistliche war ein kultivierter Herr und konnte uns mitteilen, dass Joyce niemanden empfängt, Hemingway sich nicht einmal mehr in Paris aufhält und Djagilew …« Sie schluckte. »Dass Djagilew tot ist! Zum Glück war er nicht diskreter, sonst wüssten wir es vielleicht immer noch nicht.«
    »Miss Norb, ich versichere Ihnen …«
    »Lassen Sie mich ausreden. Durch eine glückliche Fügung wurde unser Gespräch von einem Dritten mitgehört. Dieser andere Herr, der aus Chicago stammt, erzählte uns, er habe einen Vetter, der nach Paris gekommen sei und ein

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