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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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aufgenommen hat, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir sehr viel Verständnis für Exilanten haben. Besonders für jene, die einfach nur in Ruhe ihre schöpferische Arbeit fortsetzen möchten. Haben Sie schon von einer Organisation mit dem Namen ›Kalifornisches Komitee für kulturelle Solidarität‹ gehört?«
    »Ich fürchte, nein.« Die Bezeichnung Exilant hatte Loeser ein wenig beleidigt.
    »Mein Mann und ich gehören zu den Unterstützern der ersten Stunde. Und das nicht, weil wir Heilige wären.« Sie lächelte. »Wir haben dabei Hintergedanken. Ich kann gar nicht sagen, wie viele faszinierende Männer und Frauen wir über das Komitee kennengelernt haben. Zufällig geben wir heute Abend einen kleinen Empfang. Vielleicht möchten Sie auch kommen. Dann können Sie meinen Mann treffen. Er wird sicher auch gern mehr über Ihre Flucht erfahren. Jede neue Geschichte, die wir hören, ist aufregender als die letzte.«
    »Es wäre mir ein Vergnügen«, sagte Loeser. (Flucht wovor?)
    »Dann bis heute Abend. Es hat mich sehr gefreut, Mr Loeser.«
    »Bevor ich gehe: Ich würde gern mehr über Ihr Haus erfahren.«
    »Außergewöhnlich, nicht wahr? Wir sind eben erst eingezogen. Es wurde fertiggestellt, während wir in Russland waren. Der Architekt ist ein Landsmann von Ihnen, er heißt Gugelhupf. Wir haben ihn im vergangenen Jahr nach Los Angeles geholt, damit er seinen Entwurf ganz an die Landschaft und das Klima anpassen konnte. Er arbeitet ganz systematisch.«
    »Ah ja.«
    »Und dann ist er in Amerika geblieben. Das haben wir als Kompliment verstanden! Vielleicht werden Sie ihm später begegnen.«
    Statt wieder zurück zum Sunset Boulevard zu gehen, machte sich Loeser zu einem Strandspaziergang auf. Es war Ebbe, und auf dem Sand trockneten große Spaghettihaufen aus gelbem Seetang. Nach einer Weile kam er an einen Würstchenstand und kaufte drei Hotdogs und eine Flasche Coca-Cola, und dann zog er sich die Schuhe aus, setzte sich nah an die Wasserlinie und fing an, Fließband zu lesen, während ihm der salzige Schaum die Zehen abschleckte wie ein angeleintes Tier.
    Urlaub in Moskau, kulturelle Wohltätigkeiten, Nachmittagsschläfchen in einer autoplagiatorischen Bauhaus-Villa: Langsam bekam er Angst, die wunderschöne Gattin könnte den Schriftsteller kastriert haben. Aber der neue Roman, Muttons härtester bisher, belehrte ihn eines Besseren. Nie waren seine Industriellen und Adligen so grotesk, nie war sein Erzähler unbarmherziger gewesen. Loeser las das Buch zweimal durch, bevor die Sonne sich dem Meer zuneigte, und die kommende Stunde verbrachte er damit, dem Himmel zuzusehen wie einer Oper, und er konnte kaum glauben, dass etwas so Abgedroschenes und Selbstgefälliges wie ein Sonnenuntergang am Pazifik ihm den Mund offen stehen ließ und Tränen in die Augen trieb.
    Als er sich wieder gefasst hatte, war es fast neun Uhr. Er hatte gehört, dass Partys in Amerika zeitig begannen, also wanderte er wieder zurück zum leuchtenden Aquarium. Dort stand auch schon eine Handvoll Menschen auf der Terrasse, und im Näherkommen schnappte er ein paar Worte einer Unterhaltung auf: »… und da habe ich dem Mann gesagt, ich will keine synthetischen Veilchen in meinem Eau de Toilette, ich will ja auch keinen synthetischen Zitronensaft in meinem Gin Fizz! Mir doch egal, ob es genauso riecht und ob ›alle das benutzen‹, ich spritze mich nicht mit etwas voll, das Methylheptincarbonat heißt, das klingt doch nach Giftgas. Dann habe ich ihm das Zitat aus dem Sommernachtstraum hingeknallt – ihr wisst schon, ›doch die gepflückte Ros ist irdischer beglückt‹ und so weiter –, aber er hat kein Wort verstanden. Ich glaube, in den Laden gehe ich nicht wieder.« Der Sprecher trug einen taubenblauen Dreiteiler mit Perlmuttknöpfen, ein weißes Hemd mit Kragennadel, eine Fliege, ein Einstecktuch und rote Socken mit weißen Punkten, dazu Budapester Schuhe. Er sprach affektiert professoral, mit einem leisen selbstironischen Unterton. Als sein Blick auf Loeser fiel, der den Hang heraufkam, unterbrach er sich und sagte: »Na, was haben wir denn da? Einen Strandräuber?«
    »Ich bin ein Gast von Mrs Mutton«, sagte Loeser. »Wissen Sie, wo sie ist?«
    »Ach, Sie sind eines von den reizenden Schoßhündchen meiner Frau aus Europa! Ich glaube, sie ist in der Küche.«
    »Ich suche eigentlich die Gattin von Mr Mutton.«
    »Ja, wie gesagt, Dolores ist in der Küche.«
    »Ich meine Stent Mutton, den Schriftsteller.«
    Der Mann warf dem

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