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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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planen.
    Sie hatten es geklaut. Die Zollbeamten hatten von ihrem Recht Gebrauch gemacht und sein Gepäck durchwühlt wie Organdiebe einen Torso, hatten dabei das Buch gefunden und es dann, anstatt es als Schmuggelware zu melden, weggeschlossen, um es mit nach Hause zu nehmen oder weiterzuverkaufen. Er hätte jemanden bestechen sollen. Und jetzt war es zu spät. Fast sieben Jahre lang hatte Loeser Mitternacht in der Schwesternschule sein Eigen genannt. Mit den entzückenden Frauen in diesem Buch verband ihn eine längere Beziehung als je mit einem lebenden weiblichen Wesen. Jeden lockenden Gesichtsausdruck, jede bereitwillige Pose kannte er auswendig wie ein Gedicht. Oft hatte er das Gefühl, seine geistige Gesundheit diesem Buch zu verdanken. Der Verlust war unfassbar, vom Ausmaß her irgendwo zwischen dem eines Eherings und eines Erstgeborenen. Er wäre eindeutig in der Lage gewesen, dafür den Präsidenten der Vereinigten Staaten umzubringen. Oder ihm wenigstens mit Gewalt die Syphilis anzuhängen.
    Er versuchte, ganz ruhig zu bleiben, rauchte eine Zigarette, zog sich an und verließ das Hotel. Draußen am Sunset Boulevard stand mitten auf der Straße ein Haus. Zuerst verstand Loeser nicht, was er sah, aber dann merkte er, dass man das Haus auf einen Stahlrahmen aufgebockt und auf einen Tieflader gepackt hatte. Beim Abbiegen hatte sich eine Ecke des hellbraun gedeckten Dachs an einem Telefonmast verhakt, und jetzt standen zwei Männer in Overalls herum und diskutierten, und hinter dem surrealen Hindernis bildete sich ein Stau. Wie hoch, fragte Loeser sich, war wohl die Strafe für Trunkenheit am Steuer eines Einfamilienhauses?
    Selbst in diesem Viertel von Hollywood, wo die Abgase dick in den Palmen hingen, roch Los Angeles unnatürlich gut. Loeser wusste nicht, weshalb. Die ganze Stadt hatte die Anmutung einer Wohnung, die zum Verkauf stand und die der Makler kurz vor der Besichtigung mit Parfüm eingesprüht hatte. Auch die Sonne war hier seltsam. Man ertappte sich dabei, wie man mit seinen Blicken das Tageslicht bezwingen wollte, man wartete darauf, dass es blinzelte, aber es blinzelte nie. An allen Häusern erhob sich währenddessen ein beträchtliches Gezeter zahlloser Schilder und Werbetafeln, und eine beträchtliche Anzahl von Passanten befand sich in einem leisen Selbstgespräch, als wäre nichts und niemand in diesem Land in der Lage zu schweigen.
    Billige Bücher
    In offener Rebellion gegen seinen Standort war der Laden düster und muffig, und unter den Büchern herrschte fast so ein Durcheinander wie in Picquarts Pariser Wohnung. Ein Kurzwellenradio summte Jazz, als hätte es die Melodie vergessen. An der Tür stand ein Zeitschriftenständer: Broadway Brevities, Smokehouse Monthly, Police Gazette, Captain Billy’s Whiz-Bang, Artists and Models, Spicy Romances, Jazza-Ka-Jazza, Hot Dog, Paris Nights. Loeser griff sich wahllos ein Taschenbuch von einem Stapel: Eine Enzyklopädie der geschlechtlichen Beziehungen zwischen Mensch und Tier von Gaston Dubois-Desaulle. Er nahm sich ein anderes: Liebende Frauen von D. H. Lawrence.
    »Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
    Loeser blickte auf. Der Mann hinter dem Tresen hatte ein kantiges Kinn wie ein Schauspieler, aber zugleich waren seine Wangen von Pickelnarben übersät. Er trug eine dicke schwarze Brille und eine Wollkrawatte. »Ja. Ein Buch mit dem Titel Mitternacht in der Schwesternschule .«
    »Verlag?«
    »Weiß ich nicht mehr«, sagte Loeser und dachte, das sei, als würde man jemanden seit Jahren kennen, ohne sich je die Mühe zu machen, ihn zu fragen, wo er herkam. »Aus Frankreich. Gebunden. Achtundzwanzig Abbildungen.«
    »Ist mir nie untergekommen.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wo ich es auftreiben könnte? Ich zahle jeden Preis.«
    Der Mann nahm einen Schluck aus einem Kaffeebecher mit Sprung. »Könnte schwierig werden. Läden wie dieser dürfen so was nicht führen. Bei allem ›von der Allgemeinheit als anstößig betrachteten‹ Material ist es mit der Einfuhr schwierig. Vielleicht gibt’s ein paar Exemplare in Privatsammlungen, aber das war’s dann wohl.«
    »Privatsammlungen?«
    »Yep. Gibt eine Menge davon. Aber die Leute hängen das nicht an die große Glocke. Ein paar sind bekannt, wie die Sammlung Gorge, aber die taugen nichts.« Loeser hatte kaum je einen Menschen mit einem so grausam misstönenden amerikanischen Akzent gehört; wer so sprach, aus dem würde niemals etwas werden.
    »Was ist die Sammlung Gorge?«, fragte Loeser.
    »Wilbur Gorge.

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