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Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Titel: Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edzard Reuter
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Verschleiß immer neuer Regierungschefs, und aus Großbritannien waren – mit der zeitweisen Ausnahme des konservativen Premierministers Edward Heath – keine positiven Anstöße zu erwarten.

KAPITEL V
    DIE STUNDE DER PRAGMATIKER
    Ein Glücksfall der Geschichte?
    Europa: Für die einfachen Menschen schien es fortan identisch mit dem als ebenso fern wie anonym empfundenen Brüssel (und vielleicht noch mit den Parlamentariern in Straßburg, die dort ein schönes Leben genossen). Als dann am Anfang der 70er Jahre mit der ersten Erdölkrise die traditionelle westliche Welt auch noch von einer ernsten wirtschaftlichen Depression und deren Folgen erfasst wurde, krähte kein Hahn mehr nach den Ideen von Jean Monnet. Das sollte sich erst wieder ändern, als 1974 in Frankreich Valéry Giscard d’Estaing zum Präsidenten gewählt wurde und damit eine neue Phase intensiver und enger deutsch-französischer Zusammenarbeit begann, auf deutscher Seite mit Helmut Schmidt als Bundeskanzler. Beide waren sich von Anfang an darin einig, dass es dringend an der Zeit sei, das lebenswichtige Projekt der Vereinigung Europas wieder mit Leben zu erfüllen, ja, es wieder im Herzen der Bürgerinnen und Bürger zu verankern.
    Im Ergebnis ist es ihnen zwar gelungen, eine große Zahl der politisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlich Verantwortlichen zu überzeugen. Doch ein breiter Durchbruch in der allgemeinen Öffentlichkeit – und nicht zuletzt den Medien – war ihrem erneuten Ansatz nicht beschieden. Das wiederum mag damit zusammenhängen, dass beiden Staatsmännern – Schmidt wie Giscard – jedenfalls damals noch etwas fehlte, das man gemeinhin als charismatische Ausstrahlung zu bezeichnen pflegt. Gewiss schwelgte der Präsident gern und ausgiebig in dem äußeren Pomp, der traditionell in der französischen Öffentlichkeit mit seinem Amt verbunden ist. Seinem ganzen Wesen nach blieb er dennoch ein nüchterner Pragmatiker. Genau das aber verband ihn mit dem deutschen Bundeskanzler: Beide hatten sich schon zuvor als nüchterne Finanzminister ihrer jeweiligen Regierungen kennen- und schätzen gelernt. Was Helmut Schmidt angeht, mag im Übrigen eine solche Charakterisierung aus heutiger Sicht schwer verständlich scheinen. Inzwischen wird er allenthalben als lapidarer, abgeklärter, selbstloser und weiser Schiedsrichter in jeglichen weltpolitischen Kontroversen nahezu verehrt. Zur damaligen Zeit hingegen waren beide Staatsmänner durchaus stolz darauf, unbeirrbar mit beiden Füßen auf dem Boden der Realität zu bleiben. In diesem Sinne pflegte sich Helmut Schmidt gar – gewiss nicht ohne Koketterie – als »leitenden Angestellten« der Bundesrepublik zu bezeichnen, um gelegentlich die fast schon arrogant klingende Bemerkung hinzuzufügen, dass es wohl zu den Aufgaben eines Bundeskanzlers gehöre, Lösungen für konkret anstehende Fragen zu finden und durchzusetzen, nicht aber, sich um die Durchsetzung übergeordneter Wertvorstellungen oder gar um Sinnstiftung für die ganze Nation zu kümmern.
    Das alles ändert nichts daran, dass das Zusammenwirken zwischen Giscard und Schmidt zu den Glücksfällen der neueren Geschichte zählt. Ihr Verdienst ist es, das europäische Projekt zu neuem – und nach meiner Überzeugung trotz aller Gefährdungen nicht mehr umkehrbarem – Schwung verholfen zu haben. Gemeint ist das Konzept einer Währungsunion. Seine Entstehungsgeschichte verdient schon deswegen eine etwas nähere Rückbesinnung, weil die Folgen bis tief in die heutigen Krisen und die damit verbundenen Auseinandersetzungen ausstrahlen.
    Auslöser war ein Ereignis, das die Währungsstruktur der westlichen Welt von Grund auf ins Wanken brachte. Seit der 1944 in der amerikanischen Ortschaft Bretton Woods stattgefundenen Konferenz – bei der auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank ins Leben gerufen wurden – waren die wirtschaftlichen Beziehungen der beteiligten Länder geprägt durch ein als unantastbar geltendes System fester Wechselkurse. Es schrieb das jeweilige Wertverhältnis einer nationalen Währung zum amerikanischen Dollar als gemeinsamer Leitwährung fest. Für die Leitwährung selbst galt der »Goldstandard«: Nach Belieben war es jedem Staat freigestellt, seine Dollarbestände jederzeit in eine bestimmte Menge von Gold umzutauschen. Verlor eine der anderen Währungen – ausgelöst durch eine schlechte wirtschaftliche Entwicklung oder durch eine Inflation in dem betreffenden Land – an innerem Wert, blieb

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