Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
aufrechterhaltenen Ausnahme des chinesischen Renminbi/Yuan) der Welt nicht nur die Seuche eines von allen Fesseln befreiten Investment-Bankings beschert hat. Weit darüber hinaus hätte sie durchaus die tödliche Gefahr auslösen können, dass die Wirtschaft und damit die Gesellschaften Europas im Strudel des weltweiten Wettbewerbs untergehen – hätten sich Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt nicht darangemacht, den ersten und entscheidenden Grundstein für die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Währung, des heutigen Euro, zu legen.
Der Preis dafür, dass das von ihnen angeschobene Vorhaben nach Ablauf von nahezu zwei weiteren Jahrzehnten schließlich Wirklichkeit werden konnte, war freilich hoch. Das hing eng damit zusammen, dass sie beide sich von Anfang an entschlossen, ihre Überlegungen und Pläne nicht auf dem Jahrmarkt der Öffentlichkeit auszubreiten, sondern sie im stillen Kämmerlein eines kleinen Kreises von Eingeweihten zu halten. Einschlägige Erfahrungen, die sie von dieser Notwendigkeit überzeugten, hatten sie zur Genüge hinter sich.
Unbestreitbar ist dabei, dass das europäische Projekt – verglichen mit der Stagnation der vorangegangenen Zeit – durch das immer wieder demonstrierte Zusammenwirken zwischen Frankreich und Deutschland während der zweiten Hälfte der 70er Jahre auch ganz unabhängig von der Währungsfrage einen erfrischend neuen Schub bekam. Unter anderem zählte dazu die Einrichtung des Europäischen Rates, zu dem die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft (EG) fortan in regelmäßigen Abständen zusammenkamen, um über den Stand und weitere Fortschritte bei der Vereinigung zu beraten. Umso berechtigter ist die Frage, ob die zwar verständliche, aber eben doch nahezu verschwörerisch wirkende Art des Handelns bei der Konzipierung einer europäischen Währungsunion womöglich unvermeidliche, letzten Endes schwerwiegende Folgen für die breite Unterstützung einer fortschreitenden europäischen Vereinigung nach sich gezogen haben könnte.
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Zu dem bereits weit verbreiteten Unbehagen an der angeblich immer stärker um sich greifenden europäischen Bürokratie kam nämlich jetzt ein Vorhaben hinzu, das bei vielen Deutschen erste Ängste vor dem möglichen Verlust ihrer geliebten D-Mark auslöste. Seine lebenswichtige Bedeutung hingegen schien angesichts der damit verbundenen technokratischen Kompliziertheit für die Bevölkerung nicht mehr verständlich zu sein. Ob die Verantwortlichen damals hätten vorhersehen müssen, dass zum Schluss die früher einmal von einer breiten Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger getragene Begeisterung für das Projekt eines vereinigten Europa immer mehr einem Gefühl schulterzuckender Skepsis – um nicht zu sagen: der Ablehnung – weichen würde, bleibt trotzdem im Nachhinein schwer zu beantworten. Umgekehrt dürfte es nämlich kaum weniger fraglich sein, dass das Vorhaben keine noch so geringe Chance gehabt hätte, wäre es von vornherein einer breiten Öffentlichkeit anvertraut und damit den Eitelkeiten von Besserwissern, den Interessen von Spekulanten und der Verantwortungslosigkeit von Medien zum Fraß vorgeworfen worden.
Vermeintlich belehrt durch ein Beispiel wie die Erfahrungen mit dem Projekt Stuttgart 21, versichern wir uns heutzutage gern gegenseitig, dass größere Zukunftsvorhaben künftig nur noch nach intensiver öffentlicher Diskussion in Angriff genommen werden sollten. Abzuwarten bleibt freilich, welche Schlussfolgerungen zu ziehen sein werden, wenn eines Tages die ersten Erfahrungen mit solchen löblichen Absichten vorliegen. Kaum in Zweifel stehen dürfte jedenfalls, dass eine einheitliche europäische Währung, der Euro, nie und nimmer Wirklichkeit geworden wäre, hätten die dafür erforderlichen Verhandlungen und Vereinbarungen in allen ihren Einzelheiten den inzwischen üblich gewordenen Medienkampagnen oder gar Volksbefragungen standhalten müssen. Das Dilemma liegt klar zutage: die Entwicklung der gemeinsamen europäischen Währung als ein Beitrag zum verbreiteten Unmut vieler Europäer am Projekt der Vereinigung – und zugleich umgekehrt als entscheidender Baustein für die Sicherung der künftigen Überlebensfähigkeit Europas im weltweiten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wettbewerb …
Im Unterschied zum französischen Präsidenten hatte Helmut Schmidt wohl anfänglich in dem System flexibler Wechselkurse keineswegs nur Nachteile und Gefahren gesehen. Nicht
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