Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
gilt für den Mut, auf der Grundlage einer wirksamen Steuerverwaltung den eigenen wohlhabenden Bürgerinnen und Bürgern kräftige Beiträge zum Abbau der aufgelaufenen Schulden abzuverlangen, anstatt weiter tatenlos zuzusehen, wie sie ihr Geld ins Ausland schaffen. Noch auf Jahre hinaus wird zähe Beharrlichkeit gefordert sein, um manche der traditionell schwächeren Mitgliedsländer davon zu überzeugen, dass es sich bei der Notwendigkeit, unter bitteren Opfern – und womöglich ständiger Überwachung durch einen »Kommissar« der EU – den aufgelaufenen öffentlichen Schuldenberg abzubauen, um alles andere als nur um einen arroganten deutschen Stabilitätswahn handelt. Gelingen kann das nur auf der Grundlage gemeinsamer politischer Überzeugungen. Sie glaubhaft darzustellen ist und bleibt aber die historische Aufgabe der politischen Führung in ausnahmslos allen beteiligten Ländern – und genau daran hat es bisher so bitter gefehlt.
Wörtlich heißt es im Artikel 107 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: »… ist sicherzustellen, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird. Und in Artikel 72 ist ausdrücklich die Rede von der »Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse« als Aufgabe des Bundes. Das Bundesverfassungsgericht hat sich später mehrfach mit der Frage befasst, was – unter Berücksichtigung von zwangsläufig vorgegebenen Unterschieden – im Einzelnen unter solchen »gleichwertigen Lebensverhältnissen« zu verstehen ist. Den Grundgedanken der beiden Auflagen des Grundgesetzes hat jedoch bisher noch niemand ernsthaft infrage gestellt – auch nicht diejenigen sogenannten »Geberländer«, die mit verständlicher Hartnäckigkeit immer wieder darauf dringen, dass ihre Ausgleichszahlungen an strenge Auflagen für die »Empfängerländer« gebunden werden. Bis heute warte ich jedenfalls vergebens auf eine verständliche Erklärung, was diesen innerdeutschen Mechanismus eigentlich so grundsätzlich von einer europäischen Transferunion unterscheiden soll. Nicht anders als bei den Überlegungen über die stabile Gestaltung einer weltweit wettbewerbsfähigen Währungszone mit dem Euro ging (und geht) es nämlich darum, dass den Ländern mit einem hohen Steuereinkommen auferlegt wird, ihre Mittel zunächst einmal mit den schwächeren Ländern zu teilen.
Ein so kluger und bedachtsamer Beobachter wie Joseph Stiglitz, der amerikanische Nobelpreisträger, hat längst erläutert, warum es im gemeinsamen Interesse aller Beteiligten, der »Reichen« wie der »Armen«, liegt, einen solchen Weg zu gehen. Bei uns hingegen ist das Geschrei groß, mit dem dies als »Teufelszeug« abgetan zu werden pflegt. Besonders laut ertönt es aus Bayern. Begleitet wird es regelmäßig von der Warnung, dass die chronisch leichtfertigen politischen Rivalen dabei seien, das durch seinen einzigartigen Fleiß reich gewordene bayerische Volk zugunsten der sattsam bekannten europäischen Mitgliedsländer ausbeuten zu lassen. Gnädig übersehen wird dabei nur, dass der Freistaat Bayern über ganze 35 Jahre hinweg, von 1950 bis 1985, selbst Empfängerland im bundesdeutschen Finanzausgleich gewesen ist – also seinen heutigen Wohlstand keineswegs nur der (unbestreitbaren) eigenen Leistung, sondern durchaus auch der Unterstützung durch die einstmals reicheren Bundesländer verdankt.
Um nichts anderes aber geht es. Eine Transferunion, richtig verstanden, ist keine Erfindung des Gottseibeiuns. Gebunden an genau definierte Voraussetzungen, deren Erfüllung vorbehaltlos offengelegt wird und dadurch für jedermann nachvollziehbar ist, kann sie vielmehr einen unverzichtbaren Baustein für die wirtschafts-, sozial- und allgemeinpolitische Kräftigung der bisher schwächeren Mitgliedsländer der EU bilden – und damit entscheidend zur Festigung unseres eigenen Wohlstands beitragen. Umgekehrt gibt es allerdings auch ein verlässliches Totschlagargument, das jederzeit zur Hand ist, wenn man zu feige ist, den Stammtischen die Wahrheit zu sagen. Im Verlauf der quälenden Verhandlungen zur Rettung des Euro vor der europäischen Schuldenkrise hat Angela Merkel damit – ich vermute wider besseres Wissen – die Partnerregierungen oft genug an den Rand der Verzweiflung getrieben. Dieses Argument lautet, dass Deutschland unter keinen wie auch immer gearteten Umständen bereit sein werde, weitere Hilfsmaßnahmen auch nur in Betracht zu ziehen, bevor nicht die »Sünderländer« (wie Spanien oder
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