Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
Jean-Claude Juncker als dezidierten Anhänger und den Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, als ebenso entschiedenen Warner. Keiner von ihnen hat jedoch je in Abrede gestellt, dass es sich allemal lohnt, ernsthaft über das Für und Wider nachzudenken. Die Bundeskanzlerin hingegen hat immer wieder verbissen versucht, die deutsche Öffentlichkeit mit einem an ihren Amtsvorgänger Gerhard Schröder erinnernden »Basta« glauben zu machen, dass sie sich niemals und um keinen Preis auf derartige Abenteuer einlassen werde – obwohl sie in ihrem Innersten wissen musste, dass dies eines nicht allzu fernen Tages unvermeidlich sein wird (und als Folge der im Herbst 2012 beschlossene Bereitschaft der Europäischen Zentralbank, unter gewissen Bedingungen Staatsanleihen der Mitgliedsländer aufzukaufen, ohnehin einen deutlichen Schritt nähergerückt ist).
Oder die »Transferunion«: Was ist das eigentlich? Besorgt wurde uns immer wieder weisgemacht, sie liefe unvermeidlich darauf hinaus, dass jene chronisch unzuverlässigen Mitgliedsstaaten der Eurozone, die rücksichtslos die öffentlichen Gelder verschwenden, durch laufende Plünderung unserer eigenen Kassen am Leben erhalten werden. Richtigstellungen, mit denen die Unhaltbarkeit solcher Befürchtungen nachgewiesen wurde, zählten nichts – das Schlagwort schien offensichtlich stark genug zu sein, um darauf hoffen zu dürfen, dass das dumme Wahlvolk es beim nächsten Urnengang honorieren wird. Der nächste Schritt auf dem Weg zum endgültigen Verlust der eigenen Glaubwürdigkeit schien demgegenüber wenig zu wiegen. In Wahrheit hat sich nämlich die Eurozone längst zu einer Transferunion entwickelt – und das nicht nur aus guten Gründen, sondern mit Erfolg.
Nüchtern gesehen bedeutet der Begriff, dass ein Geberland Geld oder sonstige geldwerte Leistungen auf ein Empfängerland überträgt, ohne dafür einen Ausgleich zu erhalten. Unter anderem ist das zweifelsfrei der Fall, wenn Mitgliedsländer der Eurozone die Mithaftung für Schulden eines (oder mehrere) der Partnerländer übernehmen. Das aber ist zum Beispiel längst dadurch geschehen, dass die EZB, für die Deutschland mit seinem Kapitalanteil von 27 Prozent haftet, Staatsanleihen anderer Staaten in Höhe von mehr als 200 Milliarden Euro in ihren Büchern führt. Wir haften also mit mehr als 50 Milliarden Euro für diese Schulden. Im Klartext bedeutet das nichts anderes, als dass wir zugunsten der beteiligten Schuldnerländer eine Last übernommen haben, ohne dafür irgendeine – geschweige denn eine gleichwertige – Gegenleistung zu erhalten. Der Erfolg besteht allerdings darin, dass ohne ein solches Eingreifen der EZB das Währungssystem mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit – und durchaus zu unserem eigenen Schaden – zusammengebrochen wäre. Mit anderen Worten: Zumindest die Eurozone trägt ohnehin längst alle Merkmale eben einer solchen Transferunion.
Manche neigen dazu, diese unbestreitbare Situation als eine Art Schönheitsfehler zu interpretieren, der sich nur durch die hektischen Begleiterscheinungen der Krise des Jahres 2011 entschuldigen lässt. Dahinter verbirgt sich eine Einstellung, die zeigt, wie schwerwiegend die Meinungsunterschiede darüber sind, was eigentlich der tiefere Sinn einer gemeinsamen Währung ist und was letzten Endes mit ihr erreicht werden soll. Man kann die Kontroverse durchaus auf den Punkt bringen, indem man sie in eine ganz einfache Frage fasst: Geht es einzig und allein darum, mit dem Instrument der Währung die wirtschaftlichen Interessen von (wenigstens einigermaßen) vergleichbar starken Partnerstaaten gemeinsam zu verteidigen – oder dürfen damit zugleich Ansätze verbunden werden, weniger starken Partnern dabei zu helfen, zu den anderen aufzuschließen? Im letzten Sinne wird die Antwort freilich erst dann ausfallen können, wenn zuvor überzeugend klargestellt wird, dass die beteiligten Europäer im Ergebnis im weltweiten politischen und wirtschaftlichen Wettbewerb gemeinsam stärker dastehen werden als bei einer kleinmütigen Bevorzugung ihrer kurzfristigen Interessen.
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Kaum eines derjenigen Länder, für deren Schulden gehaftet werden soll, hat bisher seine Schulaufgaben in Angriff genommen, zumindest verdient kaum eines gute Noten. Das gilt für den Verkauf staatlichen Eigentums an eine Unzahl von Firmen, es gilt für die Bereinigung einer teilweise unvorstellbar chaotischen öffentlichen Verwaltung. Es gilt für die Korruption und es
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