Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
Ringens um die Rettung des europäischen Währungssystems vor der bevorstehenden Katastrophe miterleben müssen. Nie wäre Europa – so lautet die Schlussfolgerung – in eine derartig lebensgefährliche Krise hereingestolpert, hätte man nur auf den Rat dieser Weisen gehört und nicht voreilig den Euro als gemeinsame Währung eingeführt, ohne dass zuvor in ausnahmslos allen Teilnehmerländern die erforderlichen politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen waren.
Ich gestehe, dass ich die Argumentation der »Krönungstheorie« trotzdem von Anfang an für nichts anderes als das Geschwätz politischer Dilettanten gehalten habe – und unverändert auf dieser Einschätzung beharre. Zwar liegt es auf der Hand, dass es ohne die Einführung des Euro auch keine Krise des Euro gegeben hätte. Mit einer solchen Tautologie ist jedoch noch lange nicht erwiesen, wie die beteiligten Europäer heute ohne die gemeinsame Währung wirtschaftlich und politisch dastehen würden. Das gilt keineswegs nur, aber ganz sicher in allererster Linie auch für Deutschland. Genau deswegen verdient es auch der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel, dass wir gemeinsam den Hut vor ihm ziehen: Er war es, der seinerzeit gegen vielfältige Widerstände durchgesetzt hat, dass die Einführung des Euro an beachtliche Stabilitätsanforderungen für die öffentlichen Haushalte der ursprünglichen Mitgliedsländer – und damit durchaus schon in Richtung auf eine politische Union – gebunden wurde (was allerdings nicht ausschließt, dass es, wie gesagt, gerade Frankreich und Deutschland waren, die sich als Erste nicht daran gehalten haben, ganz zu schweigen von der nachgerade sträflichen Leichtfertigkeit, mit der bei der Aufnahme neuer Mitgliedsländer darüber hinweggesehen wurde).
Das mühselige Tauziehen um die Rettung des Euro, das uns seit 2010 einen mit täglich neuen Spannungen aufgeladenen Kriminalroman beschert hat, sollte im Übrigen selbst den größten Skeptikern klargemacht haben, wie mühselig es ist, auf dem Weg zu einer politischen Union und dem damit verbundenen Verzicht auf nationale Souveränitätsrechte auch nur die bescheidensten Fortschritte zu erzielen. Die Ende 2011 in Brüssel gefassten Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs zur Schaffung eines sogenannten »Fiskalpakts« sind, nicht anders als die im Sommer 2012 auf den Weg gebrachte Vorbereitung für den Ausbau des »Europäischen Sicherheitsmechanismus« (ESM) und für die Einrichtung einer »Bankenunion«, insofern ausreichend Beleg dafür, als sich diese löblichen Absichten bis zum Ende des vergangenen Jahres – mit Ausnahme des Arbeitsbeginns des ESM – immer noch nicht in endgültig verbindlichen Maßnahmen niedergeschlagen haben. Zustande gekommen sind aber auch diese Absichtserklärungen schließlich nur, weil inzwischen wohl ausnahmslos alle Beteiligten – mit Ausnahme der wieder einmal aus der Reihe ausgescherten Briten – begriffen haben, wie weit uns das Wasser am Hals steht. Gewiss war der Streit, den wir bis dahin miterleben mussten, war das Gefeilsche mancher Mitgliedsländer um wirkliche oder vermeintliche Sondervorteile nicht nur frustrierend, sondern teilweise wahrhaft abstoßend. Doch kann man vor diesem Hintergrund wirklich noch ernsthaft behaupten, dass ohne den Druck der Schuldenkrise jemals die Chance bestanden hätte, sich auf irreversible Maßnahmen zur Realisierung einer wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Union zu einigen?
Wie dem auch sei: Längst geht es bei dem Streit zwischen den beiden Theorien nur noch um des Kaisers Bart. Tatsache ist: Wir haben den Euro – und unausweichlich erzwingt er die fortschreitende politische Vereinigung der beteiligten Europäer. Über den Weg, der erfolgreich zum Ziel führt, darf, ja muss freilich weiter gestritten werden. Populistische Ratschläge von ewigen Besserwissern aus Bayern oder von verzweifelten Politikern aus den Reihen der vom Absturz bedrohten FDP wird es, genau wie Patentrezepte von chronischen Talkshow-Weisen, auch künftig geben. Beide, der notwendige öffentliche Streit ebenso wie verführerische Heilsversprechen, werden zur Folge haben, dass der welthistorische Rang der europäischen Vereinigung weiter auf dem Prüfstand bleibt, ja, dass das Projekt immer wieder neu Gefahr läuft, schließlich doch noch zu scheitern – es sei denn, dass uns das Glück beschieden wird, Persönlichkeiten wählen zu können, denen mehr als nur die Fähigkeit gegeben ist, zäh
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