Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
zu einer Erfindung des Teufels.
Konkret: Eurobonds wären Schuldverschreibungen von Mitgliedsländern der Eurozone, die durch eine der bestehenden Einrichtungen – wie etwa den neu gegründeten ESM (European Safety Mechanism) – an Finanzinvestoren verkauft würden. Der erzielte Erlös würde den Emittenten entsprechend einer vorher festgelegten Quote zur Finanzierung ihrer jeweiligen Staatshaushalte zur Verfügung stehen. So weit, so gut. Die Folge wäre allerdings, dass bei einer solchen Lösung auch alle übrigen Mitgliedsländer, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, zumindest mittelbar für die Bonität dieser Anleihen, also für deren korrekte Rückzahlung durch die kreditnehmenden Länder, haften müssten. Umgekehrt könnte dadurch aus Sicht derjenigen, die bei einer Ausgabe von eigenen Staatsanleihen wegen ihrer negativen Einschätzung als Schuldner bisher unerträglich hohe Zinsen zahlen mussten, eine massive Entlastung bewirkt werden.
Vor diesem Hintergrund wäre es sicherlich angebracht gewesen, zunächst einmal über die Bedingungen zu diskutieren, an die die Begebung solcher Papiere gebunden werden könnte. Hier ist nicht der Platz, die dazu von fachkundiger Seite vorgeschlagenen Möglichkeiten im Einzelnen zu beleuchten. Ohne Ausnahme geht es jedenfalls darum, verlässlich zu verhindern, dass manche der teilnehmenden Staaten die sich ihnen auf diese Weise eröffnende Erleichterung bei der Aufnahme neuer Kredite als willkommene Gelegenheit misszuverstehen, leichtfertig bei ihren Bemühungen zum Abbau ihrer vorhandenen Verschuldung nachzulassen, also sozusagen in den alten Trott zurückzufallen. Doch anstatt sich ernsthaft auf eine solche Diskussion einzulassen, die von nahezu allen wichtigen Partnern der Eurozone dringend gewünscht wurde, zog es die Bundeskanzlerin wieder einmal vor, sich der deutschen Öffentlichkeit als unerschütterliche Beschützerin der deutschen Bürgerinnen und Bürger vor dem ruchlosen Zugriff fremder Verschwender zu empfehlen.
In Wirklichkeit handelte und handelt es sich bei allen diesen Sprüchen nur um ein weiteres, wahrhaft furchterregendes Beispiel für billigsten Populismus. Die breite Mehrheit der Bevölkerung ist weder dumm noch blind. Man könnte ihr durchaus die Wahrheit zumuten. Das setzt freilich den Mut voraus, zu seinen Überzeugungen zu stehen, anstatt seine wahren Absichten hinter einer Wolke von billigen Beteuerungen zu verbergen. Am Ende setzt sich die Wahrheit trotzdem durch. Doch dann ist es regelmäßig zu spät. Wie viel besser wäre es da, von Anfang an unmissverständlich zu sagen, dass wir nicht daran vorbeikommen, zugunsten anderer Mitglieder der europäischen Gemeinschaft wirtschaftliche Opfer zu bringen – eben weil es bei der europäischen Vereinigung um ein Ziel geht, für dessen Verwirklichung unsere Kinder und Kindeskinder uns eines nicht allzu fernen Tages danken werden.
Längst gehört es zur alltäglichen Übung in der Öffentlichkeit, sich Sorgen darüber zu machen, dass die Glaubwürdigkeit der politischen Klasse zunehmend verloren geht. Besser als am Beispiel der politischen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der sogenannten Eurokrise kann man auch in der Tat die Ursachen dieser Entwicklung kaum nachvollziehen. Allesamt wären sie zu vermeiden gewesen. Das hätte freilich vorausgesetzt, dass sich die verantwortliche politische Führung vor allem in Deutschland und Frankreich durch mehr ausgezeichnet hätte als durch ihre zweifellos beeindruckende Bereitschaft und Fähigkeit, auftauchende Probleme pragmatisch anzugehen. Mit anderen Worten: Erforderlich wäre etwas anderes gewesen als das, was der großartige österreichisch-englische Philosoph Karl Popper einmal (durchaus anerkennend gemeint) als »piece-meal engineering«, zu Deutsch: die Kunst des schrittweisen Vorgehens, bezeichnet hat – nämlich eine überzeugende Vorstellung davon, worauf das Projekt der europäischen Vereinigung am Ende hinauslaufen soll.
Eurobonds: Sind sie wirklich eine Erfindung des Teufels, um das mustergültige Deutschland in eine Mithaftung für den Verschuldungsstrudel chronisch unzuverlässiger südlicher Mitgliedsstaaten der EU hineinzulocken? Oder könnten sie, wenn man es richtig macht, vielleicht doch ein ernst zu nehmendes Instrument sein, um den Zockern und Spekulanten der Finanzwelt endlich ihr Geschäft zu verderben? Für beide Schlussfolgerungen gibt es genügend viele hochgestellte Befürworter, wie den großen Europäer
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