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Ehe auf krummen Beinen

Ehe auf krummen Beinen

Titel: Ehe auf krummen Beinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Gepflegtes Haus zwischen Bäumen und Laub. Zaun mit Steinsockel, darauf Gitterstäbe. Mit Anlauf konnte man über den Sockel, auch die Stäbe standen genügend weit auseinander. Sehr günstig. Ich lief noch zur Pforte. Hier war es schwieriger durchzukommen, weil die Stäbe und Verzierungen zu wenig Raum ließen.
    Dafür roch es hier so atemberaubend nach Dackel, daß mir schwindlig wurde und meine letzten Bedenken dahinschmolzen wie Käse im Sommer.
    Ich beeilte mich, zurück zum Park und zu meinen Eigentümern zu kommen, um mich nicht zu verraten. «Was sind das für neue Moden?» fragte Dan. «Hören tust du auch nicht mehr, du armes, altes Tier! Wir werden dich in ein Heim geben müssen.»
    Ich schwänzelte vergnügt und tat so, als wüßte ich gar nicht, was er wollte.
    In den nächsten Tagen trieb ich mich um die Villa herum, so oft sich Gelegenheit bot. Mal ging Eva einkaufen, mal holte Dan Zigaretten. Währenddessen ließen sie mich herumlaufen, und ich konnte spähen, ob mein Glück in Sicht war.
    Dann kam mir der Zufall zu Hilfe, wie es sich für eine zünftige Liebesgeschichte gehört. Es war Freitagabend. Eva mußte im Fleischerladen anstehen, denn die Hausfrauen hatten sich in hellen Haufen versammelt. Ich lungerte kurz an der Tür herum, sah, daß es mindestens zwanzig Minuten dauern würde und strich ab, Richtung Villa.
    Als ich in die Straße einbog, stockte mir das Blut im Kreislauf. Ich sah sie, das Gefäß der Wonne. Sie war ein Stück vom heimatlichen Zaun weg und schnupperte an einem Baum. Süßes Bild. Aber noch etwas anderes sah ich, und der Zorn stieg mir in die Nüstern.
    Sie wurde belästigt. Irgendein verfluchter, minderwertiger, struppiger Bastard trieb sich um sie herum. Er war größer als wir, hatte wäßrige Stielaugen und ein schiefes Maul. Ein Ohr hing herunter, das andere versuchte, aufrecht zu stehen, gab es aber nach dem halben Weg auf und bog wieder nach unten um. Er hatte einen filzigen Bart, eine eingedellte Brust und Beine wie ein Maikäfer. Sein Fell sah aus, als wären die Motten drin. An seiner Stelle hätte ich es mal mit Waschen versucht, aber er schien nichts davon zu halten. Im ganzen sah er aus, als hätten sich vier Rassen in ihm vereinigt und stritten nun herum, wer an dem Unglück schuld wäre. Normalerweise hätte ich ihn bedauert, jetzt sah ich rot.
    Man staunt immer wieder, was für eine Frechheit diese Burschen an den Tag legen. Unsereiner ist schüchtern, verbirgt seine Gefühle, nähert sich artig und voller Anstand — wenigstens meistens. Nichts von alledem war in ihm. Mit einer unglaublichen Dreistigkeit schnüffelte er an meiner Göttin, beglotzte sie aus seinen Triefaugen und schlug mit seinen dreckigen Pfoten nach ihr. Zurückhaltung, Achtung vor dem Höhergeborenen, Zartgefühl einer Dame gegenüber — keine Spur.
    In einer Sekunde beschloß ich, ihn vom Erdboden zu vertilgen. Ich startete. Als ich bei ihm war, hatte ich etwa sechzig Stundenkilometer erreicht. Mit dieser Geschwindigkeit stürzte ich mich auf ihn.
    Ich traf seine Breitseite wie eine Rakete. Er war völlig überrascht. Wir überschlugen uns und kugelten auf dem Gehsteig entlang, bis ein Baum uns aufhielt. Dann ging es richtig los. Er baute sich auf, fletschte seine gelben Zähne und begann mit scheußlicher Stimme zu knurren. Vielleicht dachte er, ich würde erschrecken. Weit gefehlt.
    Ich unterlief ihn und biß ihn ins Bein. Er jaulte, wollte hochspringen, aber ich hielt fest, als hätte ich eine Hühnerkeule. Leider war ich so zu sehr in seiner Reichweite. Um meine Ohren nicht zu gefährden, mußte ich loslassen. Er hinkte und war nicht mehr so beweglich. Das war günstig. Was er an Größe voraus hatte, mußte ich durch Geschwindigkeit ausgleichen. Ich griff ihn von allen Seiten unablässig an. Er schnappte wild nach mir, faßte aber meist nur mein Fell, womit ich reichlich versehen bin, und verfehlte die edleren Teile. Fauchend und jaulend rollten wir auf der Straße herum. Ich fiel über die Bordkante hinunter und mit dem Rücken in etwas Feuchtes, was nicht zum Besten roch. Im Liegen erwischte ich seinen Schwanz und zog mich daran hoch. Dabei fing ich einen Blick des Dackelmädchens. Sie sah mit großen Augen zu, sie lief nicht weg. Frauen sehen ganz gerne eine Keilerei, vor allem, wenn sie ihretwegen stattfindet. Ich bemühte mich doppelt, keine schlechte Figur zu machen. Ich war bestens in Form. Nur meine langen Ohren erwiesen sich als hinderlich, und es tat lausig weh, als mir

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