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Ehe auf krummen Beinen

Ehe auf krummen Beinen

Titel: Ehe auf krummen Beinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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das linke zwischen die Zähne geriet und ich hineinbiß. Immerhin konnte ich daraus schließen, wie ich meinem Widersacher zusetzte, diesem hergelaufenen Vagabunden. Auch er hatte mir schon ein paarmal eklig die Zähne in die Figur geklemmt. Das steigerte nur meinen Zorn.
    Man kann schlecht sagen, wie es ausgegangen wäre. Er war größer und stärker als ich, nur nicht so wendig. Möglich, daß er länger ausgehalten hätte. Als Stadthund ist man nicht so trainiert. Aber ihm fehlte, was allen diesen unreinen Verkehrsunfällen fehlt: das Herz des Kämpfers.
    Der Wille, lieber zu sterben, als aufzugeben. Der Mut, den man braucht, um in einem finsteren Schlauch von Röhre nach zwei ausgewachsenen Dachsen zu suchen, ohne Rücksicht auf Verluste und die Wiederkehr zum Licht. Die Ausdauer, zu kämpfen bis zum Umfallen. Er drehte ab und trat den Rückzug an. Das gab mir einen gigantischen Auftrieb. Mit einem Satz schnappte ich ihn noch einmal und riß zum Abschied einen soliden Fetzen aus seinem Fell. Er jaulte und sauste davon. Ich kläffte hinter ihm her, bis mir der Rest der Puste ausging. Dann blieb ich erschöpft sitzen.
    Die Dame, deretwegen ich Leben und Gesundheit riskiert hatte, war dem Kampf bis zum Ende gefolgt. Sie stand am Zaun und schien ehrlich ergriffen. Ich hoffte, daß sie kommen würde und sich bedanken. Schließlich hatte ich sie vor einem Unhold und unsere Rasse vor schwerem Schaden bewahrt. Da hörte ich eine Stimme vom Haus.
    «Loni! Gehst jetzt her!»
    Loni! Wenigstens den Namen wußte ich jetzt. Als ich mich umdrehte, sah ich ein junges Dienstmädchen am Gartentor stehen. Wahrscheinlich hatte sie die Keilerei mit angesehen.
    Loni schlenderte langsam von dannen. Ich sah ihr nach, mit hängender Zunge und mit Trauer im Busen. Aber an der Tür drehte sie sich um und warf einen Blick zurück. Einen Blick, der mich für alle Unbill entschädigte und mich alle schmerzenden Stellen auf einmal vergessen ließ. Dankbarkeit, Anerkennung, und noch ein bißchen mehr.
    Die Tür schlug zu. Ich trottete davon, matt aber glücklich. Beim Fleischer kam ich gerade zurecht. Eva trat heraus, sah mich und rief: «Wie siehst du denn aus? Haben sie dich überfahren? Und was hast du da am Rücken?»
    Es stellte sich heraus, daß es der Rest eines Pferdeapfels war. Gleichviel. Mir war es wie ein Orden, der mir auf dem Schlachtfeld verliehen worden war.
    Oben reinigte Eva mich gründlich. Sie erschrak, als sie etliche Abdrücke von Zähnen und blutunterlaufene Stellen fand.
    «Ach, mein Kleiner! Sie haben dich gebissen, die Bösen! War es schlimm?»
    Nichts, dachte ich. Völlig unerheblich. Nur einen stinkenden, vermaledeiten Bastard in die Flucht geschlagen. Nicht der Rede wert. Mit sechs solchen nehme ich es auf.
    Ich leckte aber noch eine Weile an meinen Wunden herum, bevor ich einschlief.
    Es erhob sich die Frage, was nun weiter zu tun wäre. Ich wollte keine Zeit verlieren. Die Konkurrenz ist zu groß. Loni kannte mich jetzt. Ich mußte sie Wiedersehen. Aber wie? Ich konnte nicht den ganzen Tag um das Haus herummarschieren wie ein Posten um die Kaserne und mich mit hergelaufenem Gesindel herumprügeln.
    Ich wurde dann so plötzlich mit der ganzen Familie bekannt, daß es mir fast peinlich war.
    Es geschah um die Mittagszeit, einige Tage später. Die Wunden waren verheilt, die Schmerzen vergessen. Eva hatte in der Küche zu tun. Sie ließ mich hinunter und ging wieder nach oben, nicht ohne die Ermahnung, keinen Unfug zu treiben und keine Schlägerei anzufangen.
    Natürlich lief ich mit Höchstgeschwindigkeit zur Villa hinüber. Als ich die letzte Ecke nahm, sah ich, wie das niedliche Dienstmädchen die Gartentür aufhielt. Loni trippelte hindurch. Ihr Vater folgte ihr, gemessen und ohne Eile. Weg waren sie. Die Tür fiel zu.
    Ihnen stand das Mittagessen bevor.
    Ich aber beschloß, Einbrecher zu werden.
    Der normale Weg war versperrt, da war nichts mehr zu holen. Blieb nur der Zaun.
    Ich erreichte ihn schnell. Mit den Vorderpfoten kam ich gerade bis auf den Steinsockel und sah, wie die Prozession im Eingang des Hauses verschwand. Niemand war im Garten. Ich ließ mich runter und nahm von der Bordkante aus Anlauf. Beim erstenmal klappte es nicht. Beim zweiten schoß ich wohlgezielt zwischen zwei Gitterstäben hindurch und landete in welken Blättern wie ein Fallschirmjäger. Ich orientierte mich schnell und arbeitete mich von Busch zu Busch vorwärts.
    Die Haustür sah sehr verschlossen und abweisend aus. Dafür war

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