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Ehe auf krummen Beinen

Ehe auf krummen Beinen

Titel: Ehe auf krummen Beinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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daneben ein Schild befestigt.
    «Lieferanten bitte den hinteren Eingang benutzen!» Ich hatte zwar nichts zu liefern, war aber dankbar für den Hinweis. Ich blieb in Deckung der Büsche und schlich links am Haus vorbei. Die Fenster waren geschlossen, in den Blumenkästen schüttelten sich späte Blüten im Wind. Die Vorhänge hingen ruhig, nichts bewegte sich, niemand schien mich zu sehen.
    Als ich die rückwärtige Front erreicht hatte, witterte ich einen unverkennbaren Geruch gebratenen Fleisches und lieblicher Soße. Die Küche.
    Gleich darauf konnte ich die Rückseite übersehen. Eins der Küchenfenster stand halb offen und ließ die guten Düfte heraus. Sie festigten meinen Entschluß, in dieses Haus einzudringen, und wenn es voll von bengalischen Königstigern wäre.
    Leider war der Lieferanteneingang genau so dicht wie die Haustür. Klingeln konnte ich nicht. Da sah ich zu meiner Freude, daß ein kleines Fenster zu ebener Erde einen Spalt offenstand. Der Rahmen war schwarz beschmiert, es schien zum Keller zu gehören. Egal. Besser als gar kein Weg. Ich peilte noch einmal scharf um mich und zu den Fenstern, aber ich konnte niemanden sehen. Mit ein paar Sätzen war ich über den Sandweg am Fenster und stieß es auf. Leider hatte ich wieder mal zuviel Schwung. Ein Fensterbrett war auch nicht da. Ich geriet auf eine hölzerne Rutsche und sauste zu Tal. Die Rutsche war urplötzlich zu Ende. Ein kurzes Stück schwebte ich frei in der Luft, schloß die Augen und zog die Beine an. Dann knallte ich in einen Haufen Eierkohlen, sank ein, überschlug mich, rollte endlos darin herum. Als ich einigermaßen Halt gefunden hatte, rasselte ein halber Zentner von oben nach und schlug über mir zusammen.
    Für den Anfang sehr ärgerlich. Ich arbeitete wie ein Bergmann, um an die Luft zu kommen, aber sie war voll von Kohlenstaub und schmeckte wie alter Mohnkuchen. In Ohren, Augen, Zähnen, überall knisterte es. Ich wühlte mich frei und schüttelte mich gewaltig. Eine neue Staubwolke war die Folge, und dann sah ich genauso aus wie vorher. Langsam gewöhnte ich mich an das Dunkel. Ich konnte die Umrisse des Kellers sehen und auch das Fenster, durch das ich meinen Einzug genommen hatte. Überall lagen Kohlenhaufen. An einer Wand stand ein staubiges Regal mit runden Holzbündeln. Die Herrschaften hatten ihren Brennvorrat schon im Sommer eingekauft. Sehr vernünftig. Die Tür bestand aus kreuzweise genagelten Latten. Wenn sie verschlossen war, war es das Ende der Reise, und nur markerschütterndes Heulen würde hier noch helfen.
    Sie war es nicht. Ich ersah daraus, daß keine Untermieter im Hause wohnten. Es knarrte leise, als ich sie aufstieß. Der Gang führte geradeaus weiter, an anderen Türen vorbei. Eine davon war ganz aus Eisen und daran stand « Luftschutzraum! Bei Fliegeralarm Ruhe bewahren! Blase und Darm leeren!»
    Im Moment hatte ich anderes zu tun. Zweimal mußte ich fürchterlich niesen, weil der Kohlenstaub mich kitzelte. Dann kroch ich weiter durch die Finsternis. Ich passierte zwei alte, gurkenduftende Tonnen, ein rostiges Fahrrad und zwei Fallen mit je einer toten Maus darin. Plötzlich sah ich zu meinem unsäglichen Entsetzen eine riesige, widerliche kohlschwarze Ratte auf mich zuschleichen.
    Sie kam genau von vorn. Ihre Augen leuchteten zu mir her. Sie hob die Lefzen und fletschte die Zähne. Ihre Ohren kamen mir etwas komisch vor, aber in der Aufregung sann ich nicht weiter darüber nach.
    Einen Augenblick lang dachte ich trotz meiner hohen Abstammung ans Ausreißen. Dann verwarf ich diesen schwächlichen Gedanken. Es half nichts. Es war der zweite Kampf, den ich bestehen mußte um meiner Liebe willen.
    Ich duckte mich. Sie tat dasselbe. Knurren sparte ich mir, schoß unvermittelt los, zur gleichen Zeit, als sie startete. Ihre glühenden Augen schnellten auf mich zu. Dann krachte es nicht unerheblich. Tausend niedliche Sterne flimmerten um mich herum. Als ich zu mir kam, sah ich die Bescherung.
    Von Ratte keine Spur. Kein Lebewesen außer mir war auf dem Gang. Aber dort, wo er rechtwinklig umbog, hatten diese Teufel von Bewohnern einen großen Spiegel hingestellt. Ich hatte mich selbst für die Ratte gehalten und war mit der Gedächtnishalle gegen das Glas geknallt wie ein Rennfahrer gegen eine Mauer. Jetzt konnte ich mein verdattertes Antlitz ganz aus der Nähe betrachten.
    Dieses dreimal verfluchte Haus würde mich noch an den Rand des Wahnsinns bringen. Immerhin — besser als eine lebende Ratte und gut vor

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