Ehe auf krummen Beinen
in die Ecke zu Lonis Korb. Ihr Köpfchen lag auf dem Rand, und ihre Samtaugen blickten zu mir, dem Helden, neugierig und lieb. Ich sah auch den zweiten Korb, in dem ihr Vater lag und trotz Mittagsschlafsucht den Prozeß grinsend verfolgte. Die ganze Angelegenheit schien ihm ungeheuren Spaß zu machen.
Alle Augen folgten mir, wie ich vor Loni stehenblieb und sie ansah, leise schwänzelnd. Dann faßte ich mir ein Herz. Ich gab ihr einen sanften Kuß, mitten im Gerichtssaal. Sie hielt still, und das Paradies stand offen in diesem Augenblick. Dann aber dröhnte die Stimme des Richters.
«Aha! Da haben wir's, Lüsternheit, unreine Begierde! Sehr gut, mein Sohn! Er ist überführt, der Unhold, restlos überführt! Nied-rige Instinkte warfen ihn dem Verbrechen in die Arme! Zurück auf die Anklagebank mit ihm, unverzüglich!»
Sie trennten mich brutal von meinem Glück. Aber mir war himmlisch wohl, und ich war bereit, auch der härtesten Strafe gefaßt ins Auge zu sehen.
Der Vorsitzende stärkte sich mit einem Schluck Kaffee. Dann fuhr er fort.
«Wir haben die Tat, wir haben das Motiv. Wir können die Beweisaufnahme schließen. Möchte jemand zu seiner Verteidigung das Wort ergreifen?»
Er sah drohend im Kreise herum, als wollte er niemanden dazu raten. Aber seine Frau rührte das gar nicht.
«Vielleicht sollten wir seine Besitzer anrufen, bevor wir seine Strafe verkünden», sagte sie. «Immerhin ist er noch minderjährig.»
«Jawohl!» donnerte der Boss. «Noch minderjährig! Nicht minderjährig genug, um Unzucht zu treiben am hellen Tage!» Er atmete keuchend. Dann beruhigte er sich. «Um der Gerechtigkeit willen sei es drum, Juliane. Vielleicht können wir so erfahren, welche unseligen häuslichen Verhältnisse ihn auf den Pfad der Untugend getrieben haben! Noch minderjährig! Schon früh gestrauchelt, das würde ich sagen! Nun wohl!»
Er erhob sich und ging zum Telefon, das auf dem Schreibtisch stand. Mir kam das äußerst gelegen. Sicher war Eva schon halbtot vor Angst.
Während der Richter uns den Rücken zuwandte, beugte sein Sohn sich vor und zupfte mich aufmunternd am Ohr, als wollte er sagen: Mach dir nichts draus! Alles nur Theater! Mitmachen und Maul halten!
Der Vater wählte die Nummer. Ich konnte deutlich hören, wie Eva abnahm und sich meldete.
«Guten Tag, meine Dame», sagte der Alte, mit einer Stimme wie ein verwundeter Auerochse. «Guten Tag. Hier spricht Landgerichtsdirektor außer Diensten Doktor Wasinger. In meinem Hause hat sich soeben ein Vorfall zugetragen, wie er in den Annalen der Justiz seit dem Brande des Reichstages im Jahre 1933 einmalig dasteht. Seit fünfundvierzig Jahren diene ich dem Recht, meine Dame. Nach vielen bitteren Erfahrungen hat es das Schicksal für gut befunden, einen Täter meinen Weg kreuzen zu lassen, wie ich ihm noch niemals begegnet bin — abgrundtiefe Verworfenheit und eiskalte Niedertracht halten sich die Waage! Ich kenne solche Naturen, meine Dame. Im zarten Alter geraten sie auf die abschüssige Bahn und rutschen unaufhaltsam hinunter, und was steht am Ende? Das Schaffott!»
Das letzte stieß er mit Donnerstimme hervor. Ich hörte förmlich, wie Eva schauderte am anderen Ende.
«Ich bedaure zutiefst, Ihnen sagen zu müssen, daß es sich bei dem Genannten um Ihren Dackel Blasius handelt. Er hat kein Mittel gescheut, um sich meiner Loni auf schamlose Weise zu nähern. Er ist in mein Haus eingedrungen. Die Methode läßt auf Erfahrung schließen. Mit Hilfe des Speiseaufzuges ist er in das Wohnzimmer gelangt, nachdem er die Küche mit Kohlenstaub verunreinigt hat. Auf diesem krummen Wege hat er Fleisch gestohlen und andere Nahrungsmittel böswillig zerstört — kurz, er hat keine Gelegenheit ausgelassen, seiner verbrecherischen Neigung zu frönen. Aber das ist nicht alles. Nach seiner Entdeckung hat er, bar jeden Reuegefühls und anstatt in sich zu gehen, seine Absicht weiter verfolgt und ist dem Ziel seiner Begierde gegenüber zudringlich geworden, vor aller Augen!»
Ich konnte mir vorstellen, wie nahe Eva dem Zusammenbruch war. Aber er war in Fahrt wie in seinen besten Tagen, und nichts würde ihn aufhalten.
« Ich fasse zusammen: Einbruchdiebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung und versuchter öffentlicher Unzucht! Meine Dame, mir fehlen die Worte! Die heilige Ordnung ist bedroht! Die Justiz wankt in ihren Grundfesten! Was, so frage ich Sie, soll geschehen, wenn derartige Elemente im Staate die Oberhand gewinnen?»
Eva schien es nicht zu wissen.
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