Ehe auf krummen Beinen
Sie sprudelte hastige Worte heraus. Er nannte die Adresse. Dann war Schluß.
Der Landgerichtsdirektor wandte sich um. Man konnte sehen, daß ihn die Anklagerede mitgenommen hatte. Er war eben nicht mehr der Jüngste.
«Sie kommt», sagte er. «Sie wußte nichts zu erwidern. Zittere, Elender!»
Ich zitterte aber nicht, sondern schielte zu Loni.
Zwei Minuten später klingelte es. Das Dienstmädchen öffnete die Tür, und Eva trat ins Zimmer. Ich nahm mich zusammen, blieb auf dem Stuhl sitzen und tat zerknirscht.
Sie erregte Wohlgefallen auf allen Seiten. Die Frau Landgerichtsdirektor gab ihr lächelnd die Hand, der Sohn brachte kein
Auge von ihr los, die Nichte knickste. Der Direktor des Land- und Hausgerichts blickte milder und strich sich den Bart.
Nach der Vorstellung wandte sich Eva zu mir.
«Blasius!» rief sie. «Wie konntest du das tun! Uns so zu blamieren! »
Es ist nur die Liebe, dachte ich.
«Schäme dich! Heute abend erzähle ich es Herrchen!»
Sie sah beklagenswert aus.
«Gnädige Frau — Herr Landgerichtsdirektor — es ist mir ja so peinlich... ich weiß nicht, wie ich mich entschuldigen soll...»
Jetzt fing ich wirklich an, mich zu schämen, daß ich sie in diese Lage gebracht hatte.
«Na, setzen Sie sich erst mal», sagte die Frau Direktor. «Gusti, noch eine Tasse!»
Ich blieb still und kleinlaut sitzen. Ich durfte nicht stören, wo Eva sich Mühe gab, meinen miserablen Eindruck auszugleichen. Aber sie schaffte es. Mit der Zeit wurden die Herrschaften warm miteinander. Es kamen allerhand mildernde Umstände zusammen.
Der erste war Eva selber und die gemeinsame Neigung zur gleichen Hundeart. Dann erzählte sie von meiner harten Jugend in einem Junggesellenhaushalt, mit allen seinen Anfechtungen und der Gefahr der Verwahrlosung. Trotz der fatalen Neigung zu Dummheiten hätte ich ein gutes Herz.
«Ich glaube es wohl, Ludwig», sagte Frau Wasinger. «Bedenke, was Resi erzählt hat. Er hat für Loni gekämpft, mit diesem räudigen Köter. Wer weiß, was alles passiert wäre.»
«Er war ganz zerbissen», sagte Eva.
Der Richter heftete seine Augen auf mich. «Nun wohl», sagte er. «Ich gebe zu, daß alles das seine Tat in milderem Lichte erscheinen läßt. Indessen...»
«Weißt du nicht mehr, wie der Pepi Lonis Mutter nachgestiegen ist? Wie er dabei in die Müllgrube fiel und vier Wochen stank? Was Baron Imbsweiler sagte, als seine Beata auf einmal Junge bekam...»
Wie nett von ihr, einen derartigen Verlauf anzudeuten. Aber ihr Mann schien sich ungern an diese Dinge zu erinnern.
«Halt ein, Juliane! Was soll der Bursche denken, wenn du solcherart für ihn Partei nimmst?»
«Verteidigung steht ihm zu. Und die Liebe ist nun mal eine Himmelsmacht.»
Wie auf ein zauberkräftiges Stichwort stand Loni aus ihrem Körbchen auf. Alle Köpfe wandten sich zu ihr. Sie hopste über den Rand, ging mit langsamer Anmut auf meinen Anklagestuhl zu. Und dann, o Wunder, stellte sie sich aufrecht empor, konnte mit den Pfoten gerade die Kante erreichen, schob ihr Schnäuzchen zu mir und wedelte. Ich wagte nicht, mich zu rühren. Aber der Sohn griff Loni am Fell und setzte sie neben mich, und da blieb sie, und unsere Herzen klopften. Die allgemeine Rührung ergriff auch den Landgerichtsdirektor. Er trug ein gutes Herz hinter dem Jägerwams und hinter dem Rechtssinn. Ich hatte es schon geahnt, trotz des Gedonners. Sicher litt er unter der Pensionierung und freute sich, wenn er mal wieder Gericht spielen durfte.
Er räusperte sich vernehmlich.
«Hem, hem. Nun wohlan. Obwohl ich nicht abzusehen vermag, wohin Recht und Gesetz noch geraten sollen, sehe ich ein, daß wir unter diesen Umständen dem Angeklagten vergeben müssen. Zudem ist er als Dackel im Sinne des Strafgesetzbuches nicht verantwortlich zu machen. Auch ist der angerichtete Schaden unerheblich. Wir wollen daher die Verhandlung schließen und ihn freisprechen, vorbehaltlich der Hoffnung, daß aus ihm doch noch ein nützliches Mitglied der menschlichen — der hündischen Gesellschaft wird. Augusta! Bring mir den Portwein und die Gläser!»
«Hurra!» rief die Nichte und lief zum Schrank. Der Sohn tätschelte mir den Rücken. Eva lachte. Loni leckte mir fröhlich über die Ohren. Ich stupste sie ganz zart, und dann strahlte ich die Frau Direktor an, um mich bei ihr als meinem Anwalt zu bedanken.
Na also. Alles o. k. Man muß nur etwas riskieren, mit allem Einsatz, dann klappt es schon. Freigesprochen und gewaschen stand ich da, Sieger trotz
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