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Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Titel: Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Bedarf«, rief Gilbert über seine Schulter und wurde im selben Augenblick vom Dickicht verschluckt.

    Am Abend blockierte meine Mutter das Telefon sage und schreibe dreieinhalb Stunden. Zuerst rief Tante Patti an. Sie sagte, dass sie es uns nicht mehr übelnehme, die gute Uhr begraben zu haben, und wollte wissen, wie wir Papas Geburtstag im nächsten Monat zu feiern gedächten. Meine Mutter murmelte was von »stillem Gedenken« und hörte sich dann den üblichen langweiligen Schmus an, den Patti aus ihrem und vor allem Cousin Philipps ereignislosen Alltag zum Besten gab. Kaum hatte Mama aufgelegt und war ins Wohnzimmer zurLektüre ihrer Trauerbriefe zurückgekehrt, klingelte das Telefon erneut. Ich stand im Flur bereit, um Andis Anruf entgegenzunehmen, und war nach dem ersten Klingeln am Apparat. Es war aber nur Onkel Harry, der versuchte, unsere Stimmung in Sachen Golfausrüstung auszuloten.
    »Wir möchten sie behalten«, sagte ich aus purer Streitlust und weil er mich »Lisa« genannt hatte. »Als Erinnerungsstöcke äh -stücke.«
    »Aber was habt ihr denn davon?«, empörte sich Onkel Harry. »Amelie hat ihre eigene Golfausrüstung, und Erinnerungsstücke habt ihr ja nun wirklich genug.«
    »Ein Golfschläger ist aber etwas sehr Persönliches«, sagte ich. »Hör mal, Onkel Harry, ich erwarte einen sehr wichtigen Anruf. Also, wenn du keine weiteren Fragen hast, dann …«
    »Mir geht es nicht so sehr um die Schläger, ich bin vor allem am Elektrocaddy interessiert«, unterbrach mich Onkel Harry ungerührt. »Der ist noch nagelneu und auf dem neuesten Stand der Technik.«
    »Eben deshalb wollen wir ihn auch behalten«, erwiderte ich. »Man kann ihn bei schlechtem Wetter zum Einkaufen schicken, wenn man selber keine Lust hat.« Das war witzig, aber Onkel Harry fand das wohl nicht.
    »Gib mir mal deine Mutter, Lotta«, verlangte er streng, und ich rief sie wohl oder übel herbei. Allerdings hörte ich voller Schadenfreude, dass er bei ihr auch nicht mehr Glück hatte. Sie fing nämlich nur an zu weinen und sagte, sie hätte es ohnehin schwer genug, da müsse ihr Bruder nicht auch noch kommen und ihr Vorwürfe machen.
    Nach Onkel Harry rief Lenchen Klein an, um mit Mama ein Fachgespräch von Witwe zu Witwe zu führen, danachTante Ella, die fragen wollte, ob wir noch Verwendung für Papas gute Schuhe, Anzüge, Hemden, Krawatten und Pullover hätten. Sie habe da nämlich gerade einen Polen zu Gast, der ihr in Schwarzarbeit einen Carport errichte, und überlege, ob man ihn nicht mit Naturalien bezahlen solle. Bei Papas Sachen handele es sich schließlich um teure italienische Designerware, und so was habe man in Polen nicht. Mama sagte (weinend), Tante Ella solle ruhig kommen und die Sachen selber aus dem Schrank räumen, für sie sei eine solche Arbeit zu diesem Zeitpunkt viel zu schmerzlich. Es sei allerdings keineswegs alles italienische Designerware, sondern von Kaufhof und C & A. Tante Ella sagte, C & A und Kaufhof hätten sie in Polen auch nicht und sie würde gleich morgen früh mit ein paar Wäschekörben vorbeikommen.
    Ich stellte mir das Gesicht des armen Polen vor, wenn er nach getaner Arbeit nicht etwa Geld, sondern einen Wäschekorb voller getragener Klamotten überreicht bekäme. Vielleicht griff er ja spontan zur Axt und schlug den frisch gebauten Carport samt Mercedes und Tante zu Spänen.
    Der nächste Anrufer war eine Freundin meiner Eltern aus Frankfurt, die nicht zur Beerdigung hatte kommen können, und daher alles ganz, ganz genau geschildert bekommen wollte. Als meine Mutter endlich den Hörer auflegte und sich die Tränen abwischte, war es nach elf.
    »Jetzt habe ich vor lauter Telefonieren das Abendessen ganz vergessen«, sagte sie, und es klang, als freue sie sich darüber. »Ich geh jetzt ins Bett.«
    »Gute Nacht, Mama.« Müde ließ ich mich neben dem Telefon auf dem Teppich nieder. Ich wartete bis nach Mitternacht, aber Andi rief nicht mehr an.

Carola
    S
ie werden mich wegrationalisieren«, sagte Martin. »Die ganze Abteilung werden sie wegrationalisieren. Wie’s aussieht, stehen wir noch vor Weihnachten auf der Straße.«
    Carola antwortete nicht. Martin war mit dieser selbstmitleidigen Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen nach Hause gekommen, wie immer in letzter Zeit. Sie hatte vom Küchenfenster aus beobachtet, wie er aus dem Auto stieg und langsam die Einfahrt heraufschlurfte. Wie ein alter Mann, mit nach vorne gebeugtem Kopf und hängenden Schultern. Seht her, mir geht es mies,

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