Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
…«
Gilbert brachte mich mit einem finsteren Blick zum Schweigen. »Du fragst einem ja wirklich Löcher in den Bauch.«
»Egal, geht mich ja auch nichts an, aber das ist auf jeden Fall kein Grund, in ein fremdes Haus einzubrechen.«
»Schuppen«, verbesserte Gilbert. »Es ist nur ein ziemlich heruntergekommener Schuppen, und ich wusste nicht wohin.«
Kurzfristig meldete sich mein soziales Gewissen. »Hast du denn keine Wohnung?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich bin doch erst letzte Woche aus dem … Kongo zurückgekommen und gerade dabei, mich – ähm – neu zu orientieren. Möchtest du ein Mars?«
»Ja, bitte«, sagte ich, für Bestechungsversuche dieser Art hormonell bedingt äußerst empfänglich.
Gilbert erhob sich. Hinter ihm, in dem Metallregal, in dem mein Großvater Tontöpfe, Saatschalen und Blumenzwiebeln aufbewahrt hatte, wurden Zigarettenschachteln sichtbar. Eine Menge Zigarettenschachteln. Das ganze Regal war voll davon.
»Was ist das?«, fragte ich überflüssigerweise.
»Was? Ach so, das. Habe ich gefunden.« Gilbert reichte mir einen Marsriegel.
Während ich ihn auspackte, starrte ich die Zigarettenschachteln an. Irgendwo in meinem Hinterkopf war eine Information abgespeichert, die etwas mit Zigaretten zu tun hatte, aber mir fiel sie nicht sofort ein.
Es handelte sich um Zigarettenschachteln aller Marken, Hunderte davon. Selbst wenn Gilbert ein notorischer Kettenraucher war, würde er Jahre brauchen, um sich damit zu Tode zu qualmen.
Dann dämmerte es mir plötzlich: der aufgebrochene Zigarettenautomat an der Ecke!
»Na ja, hier kannst du jedenfalls auch nicht bleiben«, stotterte ich. »Weil, ähm …« Weil ich um keinen Preis einen Kriminellen und sein
Diebesgut in unserem Schuppen haben will, deshalb! Aber das wagte ich nicht zu sagen. Weil das Gartenhäuschen abgerissen wird. Nächste Woche. Würde er mir das glauben? Ein unangenehmes Schweigen entstand.
Gilbert fütterte Wanja mit ein paar Brocken Trockenfutter und kraulte ihn am Hals. Ich bemerkte, dass er schöne Hände hatte. Schöne, geschickte Hände.
»Dir wäre es sicher lieber gewesen, ich hätte einenKondomautomaten geknackt«, sagte er, als habe er meine Gedanken gelesen.
Ich wurde schätzungsweise tomatenrot. »Ähm, ich dachte immer, man knackt Zigarettenautomaten wegen des Geldes da drin und nicht wegen der Zigaretten.«
Gilbert betrachtete mich mit einem leichten Lächeln. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du dieses gewisse Etwas in den Augen hast?«
»Ähm, inwiefern?«, fragte ich verlegen.
»Dieses gewisse Etwas, das sonst nur Bewährungshelfer an sich haben«, sagte Gilbert.
»Ach, ja?« Ich schluckte verärgert. »Ich hatte leider noch nicht die Gelegenheit, tiefe Blicke mit einem Bewährungshelfer auszutauschen.«
»Ich schon. Ich kenne jede Menge Bewährungshelferinnen.«
»Ich verstehe. Die waren wohl alle mit im Kongo als Entwicklungshelfer«, entgegnete ich.
»Nicht im Kongo – im Knast«, gab Gilbert zurück.
»Liegt das auch in Afrika?«
Gilbert begann übergangslos, seine Sachen zusammenzuräumen. »Für den Winter wäre das ohnehin nichts gewesen. Hier gibt’s ja nicht mal eine Heizung. Durchs Dach regnet’s auch. Und der Garten spottet jeder Beschreibung.« Er rollte seinen Schlafsack zusammen. »Hier müsste mal ein Profi ran, ist doch eine Schande, den Garten so verkommen zu lassen. Da blutet einem das Gärtnerherz. Das habe ich nämlich gelernt, Gärtner.«
»Sicher im Kongo, was?«, höhnte ich.
»Nein, im Knast«, erwiderte Gibert.
»Die Gitterfenster mit Geranienkästen verschönert?«, sagte ich gehässig.
Gilbert schulterte seinen Rucksack. »Hör mal zu, du arrogante Ziege! Ich habe eine richtige Lehre gemacht, drei Jahre lang. Zum Stauden- und Friedhofsgärtner. Ich hätte diese Ödnis in einen Paradiesgarten verwandelt. Aber ich möchte mir natürlich auf keinen Fall nachsagen lassen, wertvollen Wohnraum besetzt zu haben.«
»Na, da hab ich wohl Pech gehabt«, sagte ich.
»Allerdings.« Gilbert wandte sich zum Gehen. In der Tür wandte er sich noch einmal um. »Das Katzenfutter lasse ich dir hier. Ich hab’s für ihn da gekauft.«
»Danke, sehr großzügig.« Ich sah ihm erleichtert nach, wie er sich in Richtung Kuhweide durch das Gestrüpp schlug. Dann fiel mein Blick auf Opas Regal.
»He, du, Gilbert! Was ist mit den verdammten Glimmstängeln?«, schrie ich ihm nach.
»Nimm dir ruhig ein paar Schachteln von deiner Marke. Als Miete. Den Rest hole ich bei
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