Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
sollte das heißen . Seid bloß lieb zu mir! Er hatte ihr kein bisschen leid getan.
»Ich werde nicht mal eine Abfindung bekommen«, fuhr Martin fort, während er das chinesische Pfannengemüse in sich hineinschaufelte. Er hat mal so
gut ausgesehen, dachte Carola. Eigentlich würde er das immer noch tun, wenn er nicht von dieser Versageraura umgeben wäre. Wie unattraktiv doch erfolglose Menschen wirkten!
»Nicht mal eine Abfindung. Nach vierzehn Jahren! Der Meller auch nicht, und der ist sogar schon fünfundzwanzig Jahre im Betrieb. Der ist über fünfzig, der kriegt nirgendwo mehr einen Job. In der Branche bist du schon mit vierzig weg vom Fenster. Der Meyer vom Betriebsrat sagt, sie tun, was sie können, aber es sieht schlecht aus.«
Carola sagte immer noch nichts. Sie konnte den ganzen elenden Mist nicht mehr hören. Nie ging es um etwas anderes als den Ärger in Martins Firma und darum, wie aussichtslos seine Lage doch war. Als ob es keineanderen Probleme auf dieser Welt gebe. Oder in diesem Haus.
»Entschuldigung, Liebling«, sagte Martin feinfühlig. »Wie war denn dein Tag?«
»Gut«, gab sie knapp zurück.
In Wahrheit war der Tag beschissen gewesen. Im Briefkasten hatte eine Geburtsanzeige gelegen. Eine Freundin, von der sie seit mindestens fünf Jahren nichts mehr gehört hatte, war Mutter geworden. Und wie alle jungen Mütter hatte sie sich bemüßigt gefühlt, auch Carola eine der bonbonfarbenen Geburtsanzeigen zukommen zu lassen. Unter dem Foto des rosigen Winzlings namens Lilli Marie Helene stand: Jetzt ist unser Glück komplett.
Carola hätte die Karte am liebsten in kleine Fetzen zerrissen und war gleichzeitig entsetzt über ihre Gefühle. Wenn das so weiterging, konnte sie bald nicht mehr aus dem Haus gehen, ohne beim Anblick eines Babys Gefahr zu laufen, in Tränen auszubrechen. Oder noch schlimmer, sie würde wie diese Psychopathinnen werden, vor denen kein Kinderwagen sicher war. Eines Tages würde sie sich womöglich mit irrem Blick umschauen, ein Baby aus einer vor der Metzgerei geparkten Kinderkarre herausnehmen und damit abhauen. Oder sie würde die selbstgefällig lächelnde Anführerin einer dieser Bürgersteig blockierenden Kinderwagenkarawanen mit dem Auto überfahren und dabei die Marseillaise singen.
Die Welt der Mütter war nicht mehr sicher vor ihr.
Wunder gibt es immer wieder … Ein alter Schlager war in ihre apokalyptischen Überlegungen hineingeplärrt, und Carola war kurz davor, dem Radio einen Tritt zu versetzen.
Den Termin bei der Frauenärztin hätte sie gerne abgesagt, die Vorstellung, mit all den Schwangeren mit Kugelbäuchen in verschiedensten Stadien im Wartezimmer sitzen zu müssen, war grässlich. Aber dann siegte doch ihre Vernunft. Ihre Endzeitlaune war kein Grund, die halbjährliche Vorsorgeuntersuchung verstreichen zu lassen. Carolas Mutter war vor fünf Jahren an Brustkrebs gestorben, und Carola wusste, dass die Veranlagung dafür erblich war.
Wider Erwarten saß kein einziger Kugelbauch im Wartezimmer, nur eine ältere Dame und Louisa Schneider von nebenan.
Louisa wurde rot, als Carola eintrat. Als würden wir uns in einem Sexshop treffen und nicht bei der Frauenärztin, dachte Carola amüsiert.
»Wie geht’s deiner Mutter?«, erkundigte sie sich.
»Besser«, sagte Louisa. »Sie isst nur so gut wie nichts.«
»Hauptsache, sie trinkt genug«, sagte Carola und schluckte taktvoll hinunter, dass Amelie ansonsten genügend Fettreserven auf den Hüften hätte. Louisa war sicher froh, dass sie nicht die untersetzte Figur ihrer Mutter geerbt hatte, sondern zierlich und schmalhüftig war wie alle Frauen in Roberts Verwandtschaft. Amelie hingegen hatte sie die dichten weizenblonden Locken und die Grübchen neben den Mundwinkeln zu verdanken. Louisa konnte mit ihrer Erbmasse wirklich zufrieden sein. Sie hätte auch von allen beiden das weniger Schöne erben können.
»Wann fährst du zurück nach Berlin?«
»Ich wollte noch bis zum Wochenende hierbleiben. Bis dahin müsste so weit alles geregelt sein. Und Mama kommt hoffentlich allein zurecht.«
Die Sprechstundenhilfe steckte ihren Kopf durch die Tür: »Frau Schneider, bitte.«
»Wir werden uns alle um deine Mutter kümmern«, versicherte Carola.
Die Frauenärztin kannte Carola schon lange. Sie untersuchte sie gründlich und schrieb eine Überweisung zur Mammographie. »Nur zur Sicherheit, ab fünfunddreißig ist das empfehlenswert. Soweit ich das sehe, ist bei Ihnen alles in bester Ordnung.«
»Nur
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