Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
schade, dass diese Organe bei mir so völlig überflüssig sind.« Aus einem Impuls heraus berichtete Carola, dass ein Androloge ihren Mann für unfruchtbar erklärt habe. Er sei nicht mal auf zehn Prozent der erforderlichen Spermienzahl gekommen.
»Das ist wirklich ein Drama«, erwiderte die Ärztin, eine resolute Person Ende fünfzig, mit drahtigen grauen Haaren und vielen Falten. Sie wusste um Carolas dringenden Kinderwunsch. »Allerdings weiß ich aus Erfahrung, dass so eine Diagnose nicht das Ende bedeuten muss. Viele Paare bekommen trotzdem noch ein Kind, es ist wie ein Wunder.«
»Ja, durch künstliche Befruchtung«, stieß Carola hervor. »Nein danke.«
»Ich meinte keineswegs künstliche Befruchtung, obwohl ich das durchaus für einen gangbaren Weg halte. Aber in Ihrem Fall … Wie lange sind Sie jetzt verheiratet?«
»Dreizehn Jahre«, sagte Carola.
»Dreizehn Jahre sind eine lange Zeit. Wussten Sie,dass im Laufe einer zehn Jahre währenden Ehe über sechzig Prozent der Ehemänner und immerhin fünfzig Prozent der Ehefrauen fremdgehen?« Die Ärztin sah Carola scharf an. »Haben Sie in all den Jahren niemals über einen Seitensprung nachgedacht?«
Carola starrte ihre Ärztin verblüfft an. Sie schüttelte den Kopf.
»Vielleicht sollten Sie das jetzt tun.« Die Ärztin reichte ihr die Überweisung. »Ihr Mann würde sich sicher freuen, wenn Sie trotz dieser düsteren Prognose schwanger würden, oder?«
Carola sagte immer noch nichts.
Die Ärztin reichte ihr die Hand. »Auf Wiedersehen, Frau Heinzelmann, bis zum nächsten Mal. Und denken Sie daran: Wunder gibt es immer wieder.«
«Der Meller sagt, wenn er arbeitslos wird, bringt er sich um«, sagte Martin. »Ich glaube, das sollten wir alle tun. Kollektiv in den Selbstmord gehen, das würde denen eine Lehre sein.«
»Gute Idee«, hätte Carola am liebsten gesagt. Auf der Heimfahrt von der Frauenärztin war sie in tiefes Grübeln verfallen. Womöglich hatte die Frau recht: Sie musste die Sache selber in die Hand nehmen. Wenn sie nur mit dem Schicksal haderte und auf ein Wunder wartete, würde ihr Wunsch niemals in Erfüllung gehen. Sie könnte Martin natürlich um die Scheidung bitten und sich einen neuen Mann suchen. Einen potenten. Das war allerdings eine zeitraubende, ziemlich unsichere Angelegenheit, bei der sie ohne Weiteres von der Menopauseereilt werden konnte. Da dachte sie doch lieber über den Vorschlag der Ärztin nach. Ein Seitensprung mit Folgen. Dass sie da nicht von allein darauf gekommen war!
»Soll ich dir mal was Lustiges erzählen?«, fragte Martin, als sie weiter hartnäckig schwieg.
Carola schaute überrascht auf. Das wäre ja mal was ganz Neues.
»Pass auf: Der Meller hat erzählt, sein Bruder kommt nachts stockbetrunken nach Hause und hat noch Hunger. Im Kühlschrank findet er hart gekochte Eier und Remouladensoße. In der Nacht wird ihm totschlecht. Er sagt zu seiner Frau, das verstehe ich nicht, ich habe doch nur die Eier mit der Remouladensoße gegessen. Und die Frau sagt, welche Remouladensoße?« Martin machte eine Pause.
»Haha, wie lustig.« Carola versuchte, ein Reiskorn mit der Gabel aufzuspießen.
»Warte doch. Also, die Frau stellt fest, dass der Mann keine Soße gegessen hat, sondern ihre Rheumasalbe.«
»Wer’s glaubt! Was hatte die denn im Kühlschrank zu suchen?«
»Sollte wohl besonders kühl sein«, sagte Martin verunsichert. »Na ja, jedenfalls, die Frau von Mellers Bruder ruft den Notarzt an und sagt, jetzt wird’s richtig lustig, sie sagt: Hilfe, mein Mann hat sich meine Rheumasalbe auf die Eier geschmiert.« Martin lachte. »Und die Sanitäter sagen, dann solle er doch erst mal unter die Dusche …«
»Wirklich lustig«, sagte Carola, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich nehme an, der Bruder von deinem Kollegen hat sich wieder erholt?«
»Ähm, ja, nehme ich doch an. Davon hat der Meller gar nichts gesagt.« Er wechselte das Thema. »Hast du gesehen, dass sie bei Elektro-Müller eingebrochen haben? Das ganze Schaufenster war zertrümmert. Ganz wahllos haben die den Laden ausgeräumt. Heizlüfter, Toaster, Kabeltrommeln, Lampen, Föhn, Fernseher, Video …«
Carola hörte ihm nicht zu. In Gedanken ging sie alle Männer ihrer Bekanntschaft durch. Die meisten eigneten sich nicht für einen Seitensprung, schon der Gedanke daran war lächerlich. Nein, wenn sie schon moralisch derartig über die Stränge schlagen würde, dann mit jemandem, bei dem es sich lohnte. Sie musste schließlich an die Gene
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