Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Titel: Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
nirgendwo eine Gartenschere. Meine Eltern brauchten so was nicht, sie warteten, bis das Zeug von allein abfiel. Also musste ich in Opas Gartenschuppen nach dem geeigneten Werkzeug suchen, vielleicht war da auch ein Gerät, mit dem man den Löwenzahn ausstechen konnte. Begleitet vom Kater bahnte ich mir einen Weg durch die Brennnesseln in der Wildnis, nahe am Maschendrahtzaun vorbei, der den Hagen’schen Garten von unserem trennte. Durch die kahlen Äste unserer sogenannten Hecke sah ich neidisch auf den gepflegten Rasen hinüber. Wo bei uns nur Brombeerranken und anderes Gestrüpp gedieh, sah man die sorgfältig umgegrabenen Erdschollen der Gemüsebeete, die perfekt gemulchten Baumscheiben derObstbäume. Selbstverständlich war alles ratzekahl geerntet, bei Hagens verkam nichts Essbares.
    Dank der Gummistiefel und Wanjas Führung – er zeigte mir einen einigermaßen gangbaren Katzentrampelpfad – kam ich ohne Kratzer durch das Dickicht zu Opas Schuppen. Er stand ein paar Meter von Hagens Zaun entfernt und war über und über mit Knöterich bewachsen. Zu Opas Zeiten wurde er einmal im Jahr gestrichen, der Knöterich hätte keine Chance gehabt, aber Opas Zeiten waren lange vorbei. Immerhin hatte die Schlingpflanze die Vorderfront bisher verschont, die Tür war frei und stand sogar halb auf. Wanja schlüpfte hindurch.
    Gleich darauf setzte mein Herz vor Schreck einen Schlag aus. Aus dem Schuppeninneren ertönte nämlich eine Männerstimme. Sie sagte: »Da bist du ja wieder, du Stromer.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich an Flucht, dann erinnerte ich mich, wo ich war – in Jahnsberg, nicht in Berlin –, und blieb stehen.
    »Wer ist da?«, rief ich mutig und gab der halb offenen Tür einen Fußtritt. Auf einem Deckenlager auf dem Fußboden saß jemand und sah mich genauso erschrocken an wie ich ihn.
    Es war der Anhalter, den ich neulich mitgenommen hatte. Er erholte sich allerdings schnell von seinem Schrecken, rieb sich seine zerzausten roten Haare und gähnte.
    »Was suchst du denn hier?«, fragte ich erleichtert.
    »Ah, du bist das«, antwortete der junge Mann. »Wie war die Beerdigung?«
    Ich war so überrascht, dass ich darauf antwortete. »Naja, wie Beerdigungen eben so sind. Die anderen haben gesagt, es sei schön gewesen …«
    »Im schlimmsten Moment, der Geburt, sind die Leute schon dabei. Doch gerade das schönste Erlebnis erleben sie nie: ihr Begräbnis«, unterbrach er mich.
    »Wie bitte?«, fragte ich verwirrt.
    »Sagt der Pessimist«, erklärte der Mann. »Das ist aus einem Gedicht von Erich Kästner.«
    »Aha.« Er sah nicht aus, als läse er Gedichte. »Aber das erklärt immer noch nicht, was du hier zu suchen hast, auf unserem Grundstück, in unserem Gartenhäuschen.«
    »Stört dich das etwa?«
    »Allerdings.« Ich ließ meinen Blick über das Schlaflager schweifen. Auf dem Tisch, auf dem mein Opa früher Saatgut pikiert hatte, standen Teller und Tassen, ein Campingkocher, Schokoriegel, eine leere Weinflasche. Und ein Karton mit Katzentrockenfutter.
    »Ich brauchte einen Ort zum Schlafen, und da ich hier niemanden kannte außer dir, habe ich gedacht, du hast sicher nichts dagegen.«
    »Aber einfach so in ein fremdes Gartenhäuschen …«
    »Ich hätte ja gefragt, aber ich wusste, dass du so mit der Beerdigung und dem ganzen Kram beschäftigt bist, da wollte ich nicht stören.«
    »Ach, jetzt hör schon auf. Woher wusstest du überhaupt, wo ich wohne?«
    »Alles der Reihe nach.« Er hielt mir die Hand hin. »Gilbert Kalinke.«
    Ich ignorierte die Hand – erwartete er allen Ernstes, dass ich sie schüttelte und mich ihm ebenfalls vorstellte? –, fragte mich aber, wie um alles in der Welt man auf die Idee kommen konnte, jemanden Gilbert zu taufen.
    Gilbert vergrub die verschmähte Hand in seiner Hosentasche. »Das war kein Problem. Ich bin so lange durch das Kaff gelaufen, bis ich dein Auto gefunden habe.«
    »Wieso bist du denn nicht bei deiner Mutter?«
    Gilbert rieb sich die Nase. »Meine Mutter wollte nicht, dass ich bei ihr einziehe. Sie meinte, sie hätte nicht genügend Platz, und außerdem wolle sie ein neues Leben beginnen.« Er machte eine kurze Pause. »Ohne mich.«
    »Aber …«
    »Das Haus ist nicht ihr Haus, sie wohnt zur Miete in der Einliegerwohnung. Und da war wirklich nicht viel Platz okay?«
    »Ich glaube dir nicht, dass sie dich einfach vor die Tür gesetzt hat«, sagte ich. »Mütter tun so was nicht.«
    »Meine schon«, erwiderte Gilbert achselzuckend.
    »Ja, aber

Weitere Kostenlose Bücher