Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
soll.«
»Hör mal, das ist alles gar nicht kompliziert«, beruhigte Betty mich, als sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte. »Eine Freundin von mir hat das letztes Jahr machen lassen, es ging ganz schnell. Die konnte nach zwei Stunden wieder nach Hause gehen.«
»Ich habe das Baby beim Ultraschall gesehen«, sagte ich. »Sein Herz schlägt schon.«
Betty schwieg eine Weile. Dann sagte sie: »Das kann doch nicht dein Ernst sein! So kurz vor dem Examen willst du dir doch nicht alle Chancen vermasseln.«
»Nein«, sagte ich unsicher. »Eigentlich nicht.«
»Was sagt denn Andi dazu?«
»Er will, dass ich es wegmachen lasse. Für ihn ist die Sache klar. Wenn ich zurück nach Berlin komme, wird er mich eigenhändig in eine Klinik zerren. Er kann nicht verstehen, dass ich hin- und hergerissen bin. Na ja, ich hab’s ihm eigentlich auch gar nicht gesagt. Betty, kannst du nicht mal mit ihm reden?«
»Was soll ich ihm denn sagen? Dass du noch Zeit brauchst?«
»Ja«, sagte ich. »Ungefähr acht Monate.« Erschrocken über meine eigenen Worte hielt ich den Atem an.
Betty am anderen Ende der Leitung ebenfalls.
»Betty? Das ist mir nur so rausgerutscht. Ich habe es nicht ernst gemeint.«
»Gut«, sagte sie. »Denn du hast weder eine Ausbildung noch einen Job, noch einen Mann, der den Familienpapi spielen will. Worauf wartest du denn noch?«
»Weiß ich auch nicht«, sagte ich unglücklich.
»Hm«, machte Betty. »Hast du Angst, unmoralisch zu handeln, weil das Herz schon schlägt? Es klingt vielleicht hässlich, aber das Ganze ist kleiner als eine Made, und Maden haben auch ein Herz, das schlägt.«
»Es ist aber keine Made«, sagte ich empört.
»Natürlich nicht«, sagte Betty kleinlaut.
Wir schwiegen eine Weile. Dann fragte ich: »Wirst du mit Andi sprechen?«
»Von mir aus«, sagte Betty unwillig. »Wie lange möchtest du dir das denn noch überlegen?«
»Weiß ich nicht. Ein paar Tage vielleicht. Frauen können doch durchaus Kinder haben und Karriere machen, oder, Betty?«
»Möglich, aber meinetwegen musst du das nicht am eigenen Leib beweisen«, sagte Betty.
Da meine Mutter sich nach wie vor weigerte, regelmäßige Mahlzeiten zu sich zu nehmen, ganz zu schweigen von Kochen und Backen, blieb es an mir hängen, dafür zu sorgen, dass wir nicht verhungerten. Bis dahin hatte ich nie besonders gern und auch nicht besonders gut gekocht, aber nun setzte ich einen gewissen Ehrgeiz daran, nicht nur gesund und reichlich, sondern auch verführerischgut zu kochen. Ich wollte, dass meine Mutter wieder mit Genuss aß. Allein der Klang der Speisen, die ich peinlich genau aus Rezeptteilen gängiger Frauenzeitschriften nachkochte, hätte jedem das Wasser im Mund zusammenfließen lassen. Jedem, nur nicht meiner Mutter.
»Rosmarinkartoffeln mit Hackbällchen, in Pestosoße geschwenkt«, präsentierte ich etwa stolz.
Mama sagte: »Mir bitte nur ganz wenig. Und keine Soße.«
Oder: »Noch etwas von den gefüllten Seezungenröllchen, Mama?«
»Nein danke, für mich nicht.«
»Mir bitte nur ganz wenig« und »Nein, danke, für mich nicht« waren die Sätze, die ich am häufigsten von ihr hörte. Über jede Abweichung war ich daher dankbar.
»Jemand muss die Hecke schneiden«, sagte meine Mutter. »Herr Hagen hat sich schon beschwert.«
»Wieso hat er sich denn beschwert? Die Oben-ohne-Saison ist doch vorbei«, sagte ich. Bei der sogenannten Hecke handelte es sich um ein paar ziemlich mickrige – weil jahrelang falsch beschnittene – Blütensträucher, gleich vor Hagens Küchenfenster. Da ich sonst nichts zu tun hatte, zog ich meine Gummistiefel an und machte mich an die Arbeit. Jeder Zweig, der dem Maschendrahtzaun der Hagens zu nahe kam, wurde gnadenlos gekappt.
Weit kam ich jedoch nicht, denn unter dem Falschen Jasmin fand ich eine Katze. Sie war niedlich, das plüschige Fell schwarz, orange und weiß gescheckt. Katzen mit solcher Fellfarbe nannte man in dieser Gegend Gewitter- oder Glückskatzen. Sie lag ganz entspannt daund ließ sich bereitwillig von mir streicheln, sehr ungewöhnlich für Katzen in freier Natur. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, warum sie sich das gefallen ließ. Ich liebkoste nämlich gerade eine tote Katze!
Reichlich spät wurde ich von Ekel übermannt. Ich sprang auf und lief ins Haus, um mir gründlich die Hände zu schrubben. Zum ersten Mal seit Beginn meiner Schwangerschaft war mir etwas flau im Magen.
»Im Garten liegt eine tote Katze«, sagte ich zu meiner Mutter. Sie
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