Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
und Wühlmäuse fröhliche Urständ feiern, oder?«
»Euer Glück«, sagte Christel. »Wir sind nämlich in einer Rechtschutzversicherung.«
»Genau«, sagte Frau Hagen. »Wir müssen uns von niemandem was gefallen lassen!«
»Was ist denn jetzt mit eurer Katze?«, fragte ich.
»Da musst du dich drum kümmern.« Frau Hagen guckte wieder betrübt. »Das war unsere Glückskatze.«
»Tja, damit ist es jetzt wohl vorbei.« Ich bemühte mich um ein orakelhaftes Gesicht. »Euer Glück ist mit dieser Katze gestorben.«
»Ich wüsste aber schon gerne, woran sie krepiert ist«, sagte Rüdiger.
»Lange ist sie auf jeden Fall noch nicht tot«, sagte ich. »Was gab es denn gestern bei euch zu essen?«
Frau Hagen begriff sofort, dass ich versuchte, unverschämt zu sein. »Frechheit, bodenlose Frechheit«, sagte sie und knallte das Fenster zu.
»Hm, lecker! Da hätte ich aber gern das Rezept davon«, murmelte ich. Die Küchengardine wurde mit Schwung zugezogen.
Da stand ich nun mit der toten Katze im Entenhandtuch und wusste nicht weiter. In die Mülltonne werfen – ob verboten oder nicht – schien mir einfach zu pietätslos. Mir war immer noch schlecht, ich bildete mir ein, Verwesungsgestank zu riechen. Mit wackligen Knienschleppte ich mich außer Hagens Sichtweite bis zu unserem Komposter, wo ich die tote Katze auf das Laub sinken ließ und mich heftig übergab. Immer wenn ich dachte, jetzt sei mein Magen wirklich leer, krampfte er sich von Neuem zusammen. Vor Anstrengung liefen mir die Tränen übers Gesicht, und als mein Magen endlich nichts mehr hergab, weinte ich noch ein bisschen weiter, weil’s so guttat. Erst beim Weinen merkte ich, wie viele Gründe es dafür gab. So viele Tage hatte ich es mir nicht gegönnt, auch nur eine Träne zu vergießen, dass es jetzt aus mir herausbrach wie die Niagarafälle.
»Manchmal kann man gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte, was?«, sagte jemand hinter mir.
Es war Gilbert, der Zigarettendieb. Seine dunklen, ein wenig unheimlichen Augen musterten mich mitleidig.
»Es … ist … wegen der Katze«, schluchzte ich. »Die Hagens haben sie zu Tode gefüttert.«
Gilbert schlug die Handtuchzipfel auseinander und betrachtete das Tier.
»Armes Kätzchen. Wir müssen sie begraben«, sagte er.
Erschöpft wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. »Rüdiger Hagen sagt, die Katze ist Sondermüll. Man darf sie nicht begraben, sie könnte radioaktiv sein.«
»Der dicke Rüdiger scheint mir ein echter Müllexperte zu sein. Na ja, er ist ja auch ein fetter Müllsack. Allerdings kein Sondermüll«, sagte Gilbert. »Er hat nämlich nicht die geringste Ausstrahlung. Rüdiger wäre ein schlichter Fall für den Komposthaufen.« Er nahm die Katze und griff nach meiner Hand. »Komm, ich weiß einen guten Platz.«
Ich folgte ihm durch das Dickicht auf Wanjas Trampelpfad, der mittlerweile so breit geworden war, dass erauch als Elefantentrampelpfad hätte durchgehen können. Jemand musste ihn in den letzten Tagen intensiv genutzt haben.
Vor einem struppigen Busch blieb Gilbert stehen.
»Weißdorn«, erklärte er, während er die Katze ablegte und meine Hand losließ. »Hier ist der Boden schön weich. Ich hole einen Spaten, du wartest hier.«
Ich nickte nur. Ich rang immer noch stoßweise nach Atem, wie man das eben macht, wenn man heftig geweint hat. Gilbert war nach kurzer Zeit wieder da. Mit ein paar geübten Spatenstichen hob er ein tiefes Loch aus.
»Da hast du dir aber vorhin die Seele aus dem Leib gekotzt«, sagte er.
»Es ist bestimmt dieser Magen-Darm-Infekt, der im Augenblick grassiert«, sagte ich verlegen.
»Ach, ja? Und ich dachte, das ist bei einer Schwangerschaft ganz normal.« Gilbert richtete sich auf. »Das müsste tief genug sein.«
»Woher weißt du das?«, fragte ich erschrocken.
»Dass du schwanger bist?« Gilbert sah mich freundlich an. »Wenn du willst, dass es ein Geheimnis bleibt, dann darfst du beim Telefonieren nicht so schreien, Louisa.«
» Du hörst unsere Telefonate mit ?«, schrie ich.
»Ich habe zufällig was in eurer Garage gesucht«, sagte Gilbert. »Das Fenster war offen, und du hast so laut gesprochen, da konnte ich nicht anders als zuzuhören.«
»Was hast du in unserer Garage gesucht? Ich fass es einfach nicht!«
Gilbert bückte sich nach der toten Katze, legte sie sanft in die Grube und deckte sie mit dem Entenhandtuch zu.
»Schlaf gut, Mieze«, sagte er. »Hatte sie einen Namen?«
»Arme Hagenkatze«, murmelte ich.
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