Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
geheiratet hat.«
»Er war immer ein unerträglicher Angeber«, sagte Martin. »Er hat sich Irmi ausgesucht, damit er jemanden zum Herumkommandieren und Sich-überlegen-Fühlen hatte.«
»Wenn er immer schon so ekelhaft war, warum hat Irmi ihn dann geheiratet?«
»Das frage ich mich auch öfter.« Martin seufzte. »Ich glaube, ihr mangelte es einfach immer schon an Selbstwertgefühl.«
»Findest du sie etwa auch so zart und hilfsbedürftig? Also, mich erinnert sie eher an ein Pferd.«
»Ich finde, sie ist echt arm dran«, sagte Martin. »Und ich finde, Georg hat sie nicht verdient.«
»Du hast mich auch nicht verdient«, sagte Carola. »Aber du hast mich trotzdem bekommen.«
Martin bedachte sie mit einem merkwürdigen Blick.
»Ja, es geht nicht immer gerecht zu in dieser Welt«, sagte er schließlich und erhob sich. »Ich geh dann mal rüber zu Irmi und frage, ob ich ihr irgendwie helfen kann.«
Carola sah ihm verägert hinterher. Was war bloß mit den Männern los? Missmutig schob sie die Reste ihrer aphrodisierenden Mahlzeit in den Biomüllbehälter. Nichts gegen althergebrachte Rezepte – aber in diesem Fall hatten sie kläglich versagt. Es musste etwas Handfesteres her, etwas wie Viagra . Carolas bester Freundin Heidemarie gehörte die Apotheke im Ort. Sie würde sie nach Aphrodisiaka fragen, die ihre Wirkung nicht verfehlten. Heidemarie würde sich vor Hilfsbereitschaft sicher überschlagen.
Irmi
I
ch will den blöden Pfaffen nicht sehen«, knurrte Georg. »Ruf ihn an und sag, ich sei an seinen frommen Sprüchen nicht interessiert!«
»Georg! Er macht doch nur einen Antrittsbesuch«, sagte Irmi. »Das ist so üblich. Er will dich kennenlernen.«
»Und seit wann ist das, bitte, üblich? Erzähl mir nicht, dass er bei allen einen Antrittsbesuch macht! Er kommt doch nur, um sich das arme Schwein anzugucken, das im Rollstuhl sitzt und seinen Glauben an Gott verlorenhat! Hast du ihm gesagt, dass ich immer schon Atheist war und er sich seine schönen Worte sonstwohin schieben kann?«
»Nein«, sagte Irmi. »Das kannst du ihm selber sagen.«
»Gut, dann sage ich ihm auch gleich einiges über meine hirnlose Frau – willst du das?«
Zu seiner Verwunderung sah Georg, dass Irmi sich nicht wie gewohnt auf die Lippen biss und ihre allzu schnell fließenden Tränen hinunterschluckte, sondern dass sie lächelte. »Du kannst ihm sagen, was du willst, Georg, er ist ein wirklich guter Zuhörer.«
Georg musterte sie misstrauisch und schwieg.
Irmi machte sich daran, die Spülmaschine auszuräumen. Dabei vergaß sie ganz zu zählen. Seit letztem Mittwoch hatte sie die Angewohnheit fast vollständig aufgegeben. Sie schwebte wie auf Wolken. Nicht mal Georgs gemeinste Attacken konnten sie auf den Boden der Tatsachen herunterholen. Selbst in den schlimmsten Momenten konnte sie immer noch Pfarrer Hoffmanns Lippen auf den ihren spüren, sie erinnerte sich an jedes wunderbare Wort, das er gesagt hatte.
» Du bist so ein wertvoller Mensch «, hatte er gesagt. » Etwas ganz Besonderes. Kostbar wie ein Diamant .«
»Du siehst aus wie ein Maulesel«, war so ungefähr das Netteste, das Georg jemals über ihr Aussehen gesagt hatte. Irmi wusste, dass sie groß und schlaksig war und dass ihre Schneidezähne etwas vorstanden – schon als junges Mädchen hatte sie deswegen Minderwertigkeitskomplexe gehabt. Georg hatte im Laufe der Zeit noch alle möglichen anderen Dinge an ihr entdeckt, derentwegen sie sich hässlich fand. Angeblich war ihre Stirn zu niedrig, ihr Po zu flach, ihr Becken zu breit, ihr Busenzu klein, standen ihre Augen zu eng aneinander, waren ihre Beine krumm.
»Wenn du mich so hässlich findest, warum hast du mich dann geheiratet?«, hatte Irmi ihn einmal gefragt, und Georg hatte geantwortet: »Weil du mir leid tatest.«
Ob sie dem Pfarrer auch leid tat und ob er deshalb so nette Sachen gesagt hatte? Aber dann hätte er sie ja nicht küssen müssen. Und wie er geküsst hatte …
»Jetzt guckst du wie ein überfahrener Frosch«, sagte Georg. Irmi fuhr zusammen. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass er noch da war.
»Möchten Sie noch ein Stück Kuchen?«, fragte Irmi.
»Gern«, sagte Pfarrer Hoffmann und reichte ihr seinen Teller. »So einen guten Apfelkuchen isst man ja nicht alle Tage. Ich glaube, als Bäckerin übertreffen Sie sogar noch meine Mutter, liebe Irmela.« Er war, wie Irmi mit leichtem Bedauern, aber nicht ohne Erleichterung festgestellt hatte, wieder zum »Sie« zurückgekehrt. Nichts wies
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