Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
Blumenstrauß?«
Carola öffnete den lila Briefumschlag. »Bestimmt. Welche Frau würde sich da nicht freuen?«
»Du zum Beispiel«, sagte Martin. »Als ich dir das letzte Mal Blumen mitgebracht habe, hast du gesagt: Weißt dudenn nach zwölf Ehejahren immer noch nicht, dass ich Gerbera und Nelken nicht ausstehen kann? Und dass beide zusammen besonders beschissen aussehen? Und kannst du mir mal verraten, wieso du dir immer die ältesten Blumen aufschwatzen lässt? Das waren deine Worte.«
Carola hatte nicht mehr zugehört. Das war keine Geburtsanzeige. Kein Felix, Jan-Niklas oder Raphael blinzelte ihr von einem Hochglanzfoto entgegen, auch keine Janine, Johanna oder Clarissa auf dem naturbelassenen Schafsfell.
»Sie sind nicht Pfarrer Hoffmanns einziges Häschen «, stand da in Druckbuchstaben. »Schicken Sie den Gottesmann zum Teufel. Oder wollen Sie wirklich eine von vielen sein?«
Carola schlug entsetzt die Hand vor den Mund. O Gott. Wer wusste von der Sache? Wer hatte sie mit Pfarrer Hoffmann auf dem Küchentisch gesehen? Ihr wurde kotzübel vor Schreck.
»Schlechte Nachrichten?«, fragte Martin.
»Die verdammte Telefonrechnung«, würgte Carola heraus, knüllte den Brief zusammen und rannte aus dem Zimmer.
Martin sah ihr nachdenklich hinterher.
Irmi
C
hristoph brachte die Post herein.
»Es ist doch immer das Gleiche«, sagte er. »Rechnungen für Papa, Kataloge für Diana und nichts für mich.« Er legte den Stapel auf dem Esstisch ab. Einen lilafarbenen Briefumschlag behielt er in der Hand.
»Und was haben wir hier? Einen Brief für Mama!« Er drehte ihn um. »Kein Absender.«
»Zeig mal«, sagte Irmi, trocknete ihre Hände an einem Geschirrtuch ab und griff nach dem Brief. Sie bekam nicht oft Post.
Georg kam ihr zuvor. Mit einer blitzschnellen Bewegung schnappte er Christoph den Umschlag aus der Hand.
»Hey, für dich sind die Rechnungen, Papa«, sagte Christoph grinsend. »Der Liebesbrief ist für Mama!«
Georg untersuchte den Brief von allen Seiten. »Welcher Geisteskranke würde deiner Mutter denn einen Liebesbrief schreiben?«
»Er ist sicher von Erbtante Emilia«, sagte Irmi und streckte noch einmal die Hand aus.
Georg knickte den Brief und schnupperte daran. »Nee, von dem alten Geizknochen ist er nicht. Keine Fettflecken, keine Schimmelsporen, kein Verwesungsgestank.« Damit spielte er auf Tante Emilias Versuch an, ihren letzten Brief mit zwei hauchdünnen Minztäfelchen aufzuwerten. Die Schokolade ist für die Kinderchen , hatten sie auf dem total verklebten und verschmierten Briefbogen gerade noch lesen können. Georg und »die Kinderchen« hatten sich tagelang darüber kaputtgelacht. Georg hatte Christoph und Diana zu einem Dankesbrief überredet. Tausend Dank für die leckeren After Eights, liebes Großtantchen. Könntest Du beim nächsten Mal vielleicht etwas von Deiner köstlichen Leberwurst mitschicken?
Georg untersuchte den Brief mit detektivischem Scharfsinn. »Handgeschriebene Adresse, also auch keine Werbung. Kein Absender. Poststempel von Jahnsberg. Bist du nicht neugierig?«
»Doch«, sagte Irmi wahrheitsgemäß. Die Handschrift sah nicht nach Tante Emilia aus, die ohnehin seit dem Leberwurst-Brief beleidigt war. Es war eine eckige Schrift ohne jeden Schnörkel, eindeutig eine Männerschrift. Ob es von ihm war? Aber er würde doch nicht so leichtsinnig sein und einen Liebesbrief mit der Post verschicken!
Oder doch?
»Gib schon her, Georg.«
»Du bist ganz wild darauf, den Brief zu lesen, was?« Georg machte keinerlei Anstalten, ihn herauszurücken.
»Es ist mein Brief«, sagte Irmi.
»Aber er lag in meinem Briefkasten«, gab Georg grinsend zurück. Die Sache machte ihm sichtlich Spaß.
»Papa, jetzt zank die arme Mama doch nicht immer so«, sagte Christoph. »Du bist ja nur neidisch, weil du keine Liebesbriefe bekommst.«
»Es ist kein Liebesbrief«, widersprach Irmi. Sie war sich beinahe sicher, dass Benedikt ihr keinen Brief geschrieben hatte – dazu war er zu dezent. Aber die Vorstellung, alle seine lieben Worte auf Papier lesen zu können, war wunderbar. Mein kleines, weiches Zitterhäschen mit den ängstlichen Augen. Weißt du denn immer noch nicht, dass du vor nichts und niemandem Angst haben musst, wenn du bei mir bist?
»Woher willst du das denn wissen?« Georg wedelte mit dem Brief vor ihrer Nase herum. »Ich denke, du weißt nicht, von wem er ist?«
»Weiß ich auch nicht.«
»Dann macht es dir auch sicher nichts aus, wenn ich ihn zerreiße, oder?«
Weitere Kostenlose Bücher