Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
mischte sie eine Teelöffelspitze in den frisch gepressten Orangensaft.
So. Carola betrachtete zufrieden ihren gedeckten Tisch. Hoffmann würde eine Erektion bekommen, ob er wollte oder nicht. Jetzt musste sie ihm nur noch den richtigen Köder hinwerfen, indem sie ihm das hilflose Weibchen vorspielte. Eine schutzbedürftige Frau, die sich nach einem Platz an seiner breiten Schulter sehnte, sexuell vollkommen unterbemittelt, damit er im Vergleich nicht schlecht abschließen konnte. Sie musste, wie er sich ausgedrückt hatte, das Yin zu seinem Yang werden. (Oder umgekehrt, das Yang zu seinem Yin? Carola war in asiatischen Kampfsportarten nicht gerade bewandert.)
Wenn es nun mal die Unschuld vom Lande war, die ihn antörnte – bitte schön, kein Problem! Sie war einzig und allein an seinen Spermien interessiert.
Sie würde eine schauspielerische Glanzleistung hinlegen, um dafür ein Baby von ihm zu bekommen, das seine schönen blauen Augen hatte. Und vielleicht seine perfekten Zähne, von denen Carola hoffte, dass sie echt und damit vererblich waren. Seine als geistliche Weltanschauung getarnten Macho-Allüren waren ja Gott sei Dank nicht vererblich.
Pfarrer Hoffmann war pünktlich. Und hungrig. Er verputzte die Tomatensuppe, die Hackbällchen und denSalat im Handumdrehen. Carola, die jeden Bissen mit Argusaugen überwachte, wollte ihm aus Sicherheitsgründen den Nachtisch vorenthalten. Schließlich hatte Heidemarie sie gewarnt: »Bei mehr als einer Tablette kann es zu toxischen Reaktionen kommen. Ich glaube zwar nicht, dass Martin ein schwaches Herz hat, aber wenn, dann kann ihm das Zeug gefährlich werden.«
Hatte Hoffmann ein schwaches Herz?
Ehe sie es verhindern konnte, leerte er das Glas Orangensaft in einem Zug. Verdammt! Man konnte nur hoffen, dass er ein Herz wie ein Ackergaul besaß.
Er sah heute besonders gut aus, statt der sonst üblichen Jeans trug er einen schwarzen Anzug und eine Krawatte. Sie schielte zur Uhr hinüber. Um halb eins hatte er die erste Tablette zu sich genommen, also war er um kurz nach eins bereit. Bis dahin musste sie ihn so weit haben, dass er ganz verrückt nach ihr war. Was in diesem Fall bedeutete, dass ihn nichts mehr an ihr an seine Frau erinnern durfte.
Zunächst begann sie einige Belange der Gemeinde abzuhandeln, schließlich war dies hier immer noch eine Dienstbesprechung. Nach etwa zwanzig Minuten ließ sie das Gespräch einschlafen, wurde zusehends stiller und ließ den Kopf traurig hängen. Damit konzentrierte sich Hoffmanns Aufmerksamkeit auf sie.
»Ist Ihnen nicht gut, Carola?«, erkundigte er sich besorgt.
»Doch, doch«, sagte sie mit müder Stimme. »Ich bin nur … es ist …«
»Nur heraus damit«, sagte er gütig.
Sie schlug die Augen nieder. »Ich habe die ganze Woche über Ihre Worte nachgegrübelt«, sagte sie leise. »Eshat mir sehr zugesetzt, dass Sie mich unweiblich genannt haben. Aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Sie absolut recht hatten.«
»Das freut mich«, sagte Hoffmann sanft. »Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.«
Arrogantes Arschloch!, dachte Carola und hielt ihren Blick weiter gesenkt, damit er die Wut in ihren Augen nicht sah. »Erst wollte ich es ja nicht wahrhaben, aber je mehr ich über Ihre Worte nachgedacht habe, desto mehr wurde mir bewusst, wie gut Sie mich durchschaut haben. Dass Sie gespürt haben müssen, dass ich meine Weiblichkeit schon lange verleugne.« Obwohl sie sich ihre Worte vorher zurechtgelegt hatte, lief ihr ein kleiner Schauder den Rücken herab, als sie sich selber sprechen hörte. Ob sie wohl zu dick auftrug? Schnell redete sie weiter. »Vor sechzehn Jahren, da hatte ich einmal ein sehr … ein schlimmes Erlebnis. Ich war gerade achtzehn, wissen Sie …«
Unter gesenkten Wimpern warf sie ihm einen Blick zu. Er war voll und ganz von ihrer Geschichte gefesselt.
»Ich fuhr mit dem Fahrrad von der Schule nach Hause, als mich … es waren zwei … zwei junge Männer und … ach, ich kann immer noch nicht darüber sprechen. Es war im Mai, der Flieder blühte …« Sie stockte und kämpfte mit den Tränen, so sehr hatte sie sich in ihre Rolle hineingesteigert. »Seither kann ich keinen Flieder mehr riechen, ohne mich übergeben zu müssen.«
Ihre Taktik der unvollendeten Sätze schien aufzugehen. Hoffmanns Gesicht zerfloss geradezu vor Mitgefühl. »Sie sind vergewaltigt worden? Wie entsetzlich. Kein Wunder, dass Ihre Seele so gelitten hat.« Er griff nach ihrer Hand, aber Carola zog sie ihm
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