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Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Titel: Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Enkelkinder, das scheint richtig ansteckend zu sein. Meine Eltern waren vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen. Mein Vater hat sofort Pläne geschmiedet, wie er dem Kleinen das Skifahren in Sankt Moritz beibringen wird und so.«
    Allmählich begriff ich. »Und weil deine Eltern so gerne Großeltern werden wollen, hast du es dir anders überlegt! Du bist ein opportunistischer Mistkerl.«
    »Ja«, sagte Andi zerknirscht. »Aber ein opportunistischer Mistkerl, der dich liebt. Komm schon, Lou, gib dir einen Ruck.«
    »Sag das noch einmal.«
    »Gib dir einen Ruck?«
    »Nein, das andere! Das davor.«
    »Ach so, das.« Andi machte eine kleine Pause. »Ich liebe dich, Lou. Ehrlich.«
    Ich liebe dich . Das waren immer noch Zauberworte. Worte, in die man sich hineinfallen lassen konnte, wie in weit ausgebreitete Arme. Aber dann fiel mir ein, was Andi gesagt hatte, als ich die Zauberworte das letzte Mal ausgesprochen hatte.
    Ich holte tief Luft.
    »Das ist keine Liebe«, zitierte ich grausam. »Das ist nur die Angst vor dem Alleinsein.«
    Und als hätten diese Worte den Zauberbann gebrochen, kamen in diesem Augenblick meine Mutter und Pfarrer Hoffmann aus dem Wohnzimmer. Mama führte Pfarrer Hoffmann am Arm, er sah verwirrt aus, wie jemand, der gerade gegen einen Laternenpfahl gelaufen ist, nur ohne Beule.
    Mama öffnete die Tür und streckte ihm ihre Hand hin.
    »Wir können doch Freunde bleiben, oder?«, fragte sie.
    Pfarrer Hoffmanns Hand sah sehr schlaff aus, als er sie Mama zum Schütteln überließ.
    »Selbstverständlich«, murmelte er immerhin.
    »Andi?«, sagte ich in den Telefonhörer. »Wir können doch Freunde bleiben, oder?«
    »Natürlich«, sagte Andi.
    Mama schloss die Tür hinter Pfarrer Hoffmann. Ich legte den Hörer auf.
    »Ich denke, wir könnten jetzt alle einen Cognac gebrauchen«, sagte Tante Patti aus dem Wohnzimmer.

    »Meine Mutter hat gerade den Pfarrer abserviert«, sagte ich nicht ohne Stolz in der Stimme. »Sie hat ihn sozusagen mit Worten kastriert. Es war das klassische Und-dass-du-es-weißt-ich-hatte-bei-dir-nie-einen-Orgasmus-Gespräch, nur mit umgekehrten Vorzeichen und viel, viel besser.«
    »Gut so«, sagte Gilbert. »Ich fürchte nur, die anderen beiden werden ihrem Beispiel nicht folgen.«
    »Und das, obwohl sie wissen, dass sie nicht die Einzigen sind?« Ich sah auf meine Hände, die die anonymen Briefe höchstselbst in den Briefkasten befördert hatten. »Haben die denn gar keinen Stolz?«
    »Mit Stolz hat das nichts zu tun«, erklärte mir Gilbert. »Die scharfe Brünette benutzt den Pfarrer als Samenspender, und für die arme Irmela ist er schlicht die große Liebe.« Wie immer war er bestens informiert.
    »Ja, verdammt«, sagte ich. »Sollten wir dann nicht wenigstens deiner Mutter stecken, dass ihr neuer Lover sie betrügt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Gilbert. »Es läuft gerade so gut mit den beiden. Gestern hat er ihr versprochen, ihre Schulden bei Ricky zu begleichen.«
    »Du meinst, er weiß, dass sie als – ähm – Prostituierte gearbeitet hat?«, fragte ich verblüfft.
    »Gearbeitet ist gut.« Gilbert zuckte mit der Achsel. SeinerAnsicht nach machte Lydias »Beruf« gerade den Reiz aus, der den Pfarrer bei der Stange hielt.
    »Meinst du Stange halten im wörtlichen Sinn?«, fragte ich.
    »Weniger«, sagte Gilbert. »Wobei Lydia ihren Job sicher beherrscht. Nein, die Sache ist die: Der Typ steht auf hilflose Frauen, weil er da den großen Retter spielen kann. In diesem Fall ist Lydia das gefallene Mädchen, dessen er sich annehmen und das er vor dem bösen Ricky beschützen kann.«
    » Du hättest Psychologie studieren sollen«, sagte ich bewundernd, und Gilbert lachte. »Vielleicht mach ich das ja auch noch irgendwann.«
    Er richtete sich auf. »Wie findest du’s?«
    »Toll!« Die Trockenmauer war fertig. Gilbert hatte kleine Steingartenpflänzchen zwischen die Felsquader gesetzt und auch die Rabatte völlig neu bepflanzt.
    »Kissenthymian, Mauerpfeffer und Steinbrech«, deklamierte er zärtlich. »Pantoffelblume, Semper vivum und Fette Henne.«
    »Von deinen Lieblingen sieht man allerdings nicht allzu viel«, sagte ich. Die meisten Pflanzen hatten nicht mal Blätter.
    »Das stimmt«, gab Gilbert zu. »Es ist eben Winter, da haben sich die Stauden komplett in den Boden zurückgezogen. Aber warte mal ab bis Mai, da blühen hier Amstelraute, Akelei, Iris und Jakobsleiter um die Wette. Und Alchemilla mollis, eine meiner Lieblingspflanzen. Wildtulpen, Krokusse und Narzissen

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